Donnerstag, 15. Januar 2015
Pegida und Islamistenterror – zurück zu Dschungelcamp und IceBucketChallenge
Pegida und Islamistengefahr haben Ukraine und US-Überwachung in der Berichterstattung abgelöst. Aber auch die aktuellen Themen haben für die meisten Medien ihre Halbwertszeit längst überschritten. Ab morgen regiert sowieso wieder das Dschungelcamp. Nutzen wir den Rest an Aufmerksamkeit, um nüchtern auf die Faktenlage und die sich draus ergebenden Handlungsnotwendigkeiten zu blicken:

Es gibt momentan in Deutschland drei Formen von Überzeugungstätern. Erstens die Abstiegs- oder Fremdenängstlichen, die mit dumpf anmutenden Parolen auf Pegidamärschen mitmarschieren. Zweitens Menschen, die aus beruflichen oder privaten Gründen die multikulturelle offene Gesellschaft zu schätzen gelernt haben und ehrlich entsetzt über Pegida sind. Drittens die objektiv Ausgegrenzten mit Migrationshintergrund oder Konvertiten, die diesem Staat mental oder gar physisch den Rücken gekehrt haben.

All diese drei Gruppen beschreiben Tatsachen, die statistisch vielfach belegt und kommuniziert ist:

- Deutschland ist ein Einwanderungsland
- Die Armuts-Reichtumsschere in Deutschland öffnet sich
- Echte Integrationsangebote fehlen
- Vielfältige Präventions- und Bildungsangebote fehlen

Diese drei Gruppen fühlen sich ehrlich betroffen und vom Establishment von Politik und Medien nicht ernst genommen. Erst Pegida und die Anschläge in Paris haben die Themen ins veröffentlichte Bewusstsein gehoben. Also reagiert das Establishment und wird nicht müde, die Notwendigkeit von Maßnahmen zu betonen. Das geschieht dieser Tage immer in einem Dreiklang von: „Sicherheitsmaßnahmen stärken“, „den Dialog suchen / Veränderung erklären“, „Integrationsangebote verbessern“.

Der Dialog wird öffentlichkeitswirksam in symbolischen Demonstrationen oder auf Konferenzen gesucht. Mit den Erklärungsversuchen sieht es schon dürftiger aus, ein „der Islam gehört auch zu Deutschland, wir brauchen Fachkräfte“, versucht durch ein ökonomisches Argument zu überzeugen, dass dem Einzelnen abstrakt bleibt. Lediglich bei den Sicherheitsmaßnahmen lässt sich schnell und öffentlichkeitswirksam in den Instrumentenkoffer greifen: Vorratsdatenspeicherung in Deutschland einführen, „Gefährdern“ den Pass wegnehmen, kriminelle Ausländer abschieben, deutsche Militärpräsenz im Ausland erhöhen. Botschaft: Seht her, wir handeln.

Dabei wird allerdings am bewährten „Wir/Die-Schema“ festgehalten. „Wir Biodeutsche“ vs. die „Passdeutschen mit Migrationshintergrund“. Wir „westliche Werteträger“ vs. „die Unaufgeklärten, Kriegstreiber, Unbebildeten“.

Vielen Menschen scheinen die Erklärungsmuster zu einfach zu sein. Möglicherweise haben sich Politik und Medien zu lange auf einem Status Quo ausgeruht und kein Interesse gezeigt, nachvollziehbare Antworten auf nachvollziehbare Fragen zu finden. Zu schnell die Worte von Alternativlosigkeit und Verschwörungstheorien, wenn berechtigte Fragen gestellt werden:

Müssen wir eine „unverbrüchliche Freundschaft“ zu einem Land pflegen:

- in dem Menschen über Jahre völkerrechtswidrig in Lagern gefangen
gehalten und/oder gefoltert werden
- das seine „Freunde“ und deren Kanzlerin schamlos ausspioniert
- das mit seinen Interventionen Terror und Wut in vielen Gegenden der
Welt provoziert

Müssen wir die als Spinner, Gutmenschen und „Versteher“ abtun, die die Frage stellen

- ob ein Bündnis wie die NATO in seiner derzeitigen Konstitution und
seinem Expansionsdrang nicht mehr Gefahren als Sicherheit
produziert?
- ob der Reichtum in dieser Gesellschaft nicht anders verteilt werden
könnte
- ob es nicht obzön ist, wenn ein einziger Wirtschaftsführer ein
Jahresgehalt im zweistelligen Millionenbereich erzielt
- ob es normal ist, dass Asylbewerberunterkünfte niemals in
Wohlstandsgebieten eingerichtet werden

Möglicherweise wurde breiten Bevölkerungsschichten zu oft und zu lange abverlangt, sich auf geänderte gesellschaftliche Realitäten einzustellen (HARTZ IV, Rentenkürzung, Zuwanderung), während gleichzeitig die etablierten Parteien und auch viele Medien nicht in der Lage willens waren, ihre Erklärmuster und Blickwinkel zu ändern. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Entscheidungsträger und Kommunikatoren größere Schwierigkeiten haben, sich auf Änderungen einzustellen, als die Bevölkerung. Eine Welt aus den Fugen, wirtschaftliche Herausforderungen in Europa, Globalisierung…Sie scheinen mit dem Rücken an der Wand zu stehen und das Volk anzuschreien: „Nun akzeptiert doch endlich“, anstatt zuzugeben, dass sie einiges selbst nicht verstehen.

Zurück zur Realität dieser Tage. Nach Pegida und Paristerror erleben wir öffentlichkeitswirksame Aktionen, die den Kern des Problems nicht erfassen: Hollande schickt einen Flugzeugträger mit zwei Dutzend Kampfflugzeugen in den Krieg gegen den IS, obwohl dieser in den Vororten der französischen Vorstädte tobt. Die Botschaft dahinter ist ähnlich der von Sarkozy, der die Vorstädte „auskärchern“ wollte: Wir kümmern uns um die weiße Mehrheits- und Mainstreamgesellschaft, der Rest kann sehen wo er bleibt. In Deutschland überwachen wir noch mehr und nehmen Pässe weg und hoffen dadurch Pegida und andere ruhig zu stellen, nicht wahrnehmen wollend, dass es den Pegidas eben nicht um zu viele Islamisten geht, sondern sie in Mehrheit einfach nur verunsichert sind.

Was also ist zu tun? Es gab einmal einen Bundeskanzler, der hat sich auf den Weg gemacht, die Gesellschaft umzubauen und beschritt damit einen harten steinigen Weg. Der Mann hieß Gerhard Schröder und verabschiedete eine Agenda 2010. Es war ein Experiment, das sowohl Gutes als auch Schlechtes produzierte, ihn aber schlussendlich die Regierungsmacht kostete. Dies scheint den aktuell Regierenden ein mahnendes Beispiel zu sein, weshalb sie sich mehr auf vermeintlich publikumswirksame Aktionen einlassen, als eine neue Agenda anzugehen, die da heißen würde:

- Echtes und nicht nur Lippenbekenntnisse zu einem
Einwanderungsland Deutschland
- Milliardenprogramme in Bildung und Integration
- Ehrlichkeit in Bezug auf eine sich wandelnde und damit neu zu
interpretierende Welt
- weg von der Behauptung eines „westlichen“ Wertesystems, zurück zu
einem universalen Wertesystem, bei dem Verstöße klar benannt
werden und nicht nach Himmelsrichtung
- mehr Anstrengungen für Gerechtigkeit bezüglich Artikel 14,
Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet…"

Wie wird es dieser Tage in Deutschland weitergehen: Es wird noch einige Talkshows zur Gefahr von Islamisten geben, es wird über die nächste Ausgabe von Titanic und Charlie Hebdo berichtet. Es wird weiter über Pegida und Antipegida berichtet, aber nur noch in Bezug auf Teilnehmerzahlen, denn an für sich ist die Halbwertszeit dieser Themen für die Medien bereits überschritten. Und es ist ja „irgendwie auch alles gesagt“ und zwar von jedem. Oder es gibt weiter spektakuläre Islamistenanschläge. Über die lässt sich gut berichten, wenn es Bilder gibt. Alternativ kracht es noch mal richtig in der Ukraine, dann wendet sich der Focus wieder dahin.

Für die Zwischenzeit gibt ja auch noch Lebensmittelskandale und IceBucketChallenges, alternativ das Dschungelcamp.

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Montag, 24. Februar 2014
Lage vor Berliner Reichstag bleibt angespannt – Proteste auch in anderen Städten

(dpb/rueters/afk) Auch drei Wochen nach der Besetzung des Platz der Republik in Berlin zeichnet sich keine Entspannung im Konflikt zwischen Demonstrierenden und der Regierung Meckel ab. Die demokratische Opposition, mit dem bekannten Liedermacher Deter Diehm an der Spitze, fordert weiterhin den sofortigen Rücktritt von Angola Meckel, die Unterschrift unter ein Assoziierungsabkommen mit China und die Aufhebung der Zusammenarbeit mit den USA. Mittlerweile kampieren rund 100.000 Regierungsgegner auf dem Platz, täglich kommen hunderte dazu. Gestern kam es wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nach offiziellen Angaben wurden dabei rund 40 Personen verletzt.

Auch aus anderen Städten wie Bielefeld, Celle, Bautzen und Bergen auf Rügen wurden Auseinandersetzungen zwischen Regierungsgegnern und Befürwortern gemeldet. In Celle besetzten gewaltbereite, in Karnevalstrachten gekleidete, Demonstranten (Jecken) das Rathaus und zwangen den Bürgermeister zum Rücktritt.


China und Russland haben beide Seiten zu friedlichen Verhandlungen aufgefordert, schließen aber auch Sanktionen gegen Regierungsvertreter nicht mehr aus. Außenminister Walter Steinmein flog in die USA, wo ihm der Präsident und Friedensnobelpreisträger Brack Mabomo rückhaltlose Unterstützung versprach. Die Bundeskanzlerin hat sich seit Tagen nicht mehr in der Öffentlichkeit geäußert. Beobachter fürchten eine Spaltung der Republik.

In einer Rede auf dem Platz der Republik rief Deter Diehm die Demonstrierenden zum Durchhalten auf: „Wir stehen jetzt vor der historischen Chance auf einen echten demokratischen Wandel. Viel zu lange hat sich die Bundesrepublik in Abhängigkeit der USA begeben. Dieses Land steht heute für aggressive Kriegspolitik, soziale Ungerechtigkeit, Schuldenberge und die Beibehaltung der Todesstrafe. Wie lange wollen wir es noch hinnehmen, dass uns diese „Freunde“ schamlos aushorchen und überwachen. Gerade unsere Freunde in Ostdeutschland sind dafür ganz sicher nicht auf die Straße gegangen. Was wir brauchen ist Stabilität und Sicherheit. Die bekommen wir nur an der Seite unserer demokratischen Freunde in Russland und China. An die Adresse der Berliner Marionettenregierung sagen wir ganz deutlich: Machen Sie den Weg frei für wirklich demokratische und freie Wahlen. Und den Sicherheitskräften auf dem Platz sei gesagt: Wir laden Euch ein, schließt Euch uns an, denn wir vertreten Eure Rechte. Den Verblendeten unter Euch sei aber gesagt, wir werden hier für die Freiheit des deutschen Volkes kämpfen. Bis zum letzten Blutstropfen. Wir sind das Volk.“

Regierungsvertreter weisen die Forderungen kategorisch zurück. Innenminister me Déziêreè verschärfte den Ton und forderte die Demonstrierenden in einer Fernsehansprache auf, den Platz der Republik bis zum Wochenende zu räumen: „Das Demonstrationsrecht ist ein hohes freiheitliches Gut. Wer es missbraucht, bekommt die Härte des Gesetzes allerdings zu spüren. Wir lassen uns nicht von einer Handvoll fehlgeleiteter Chaoten erpressen.“

Das Kabinett Meckel bereitet eine Verschärfung der Demonstrationsrechte vor und überlegt den nationalen Notstand auszurufen, der ein hartes Durchgreifen der Sicherheitskräfte rechtfertigen würde. Von Seiten der Militärs hieß es, man stünde auf dem Boden des Grundgesetzes und werde sich neutral verhalten.


China und Russland äußern sich besorgt über die Entwicklung in Berlin. Nach einem Treffen boten die Staatsspitzen erneut ihre Vermittlung an. Der russische Präsident Pitun erinnerte die deutsche Regierung an ihre historische Verantwortung:“ Schon einmal hat sich in der Geschichte ein innerdeutscher Konflikt zu einem europäischen Flächenbrand ausgeweitet. Die Staatengemeinschaft kann einer solchen Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Wir fordern eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates und schließen auch Sanktionen gegen die Bundesrepublik nicht aus.“ Er kenne die deutsche Mentalität aus einer mehrjährigen beruflichen Tätigkeit in Dresden, ergänzte der demokratisch gewählte Präsident, dem enge Kontakte zu Altkanzler Schrader nachgesagt werden, der wiederum keinen Zweifel an Pituns Qualität als „lupenreinem Demokraten“ aufkommen lässt. Der chinesische Ministerpräsident Leng Feng Chui empfahl der deutschen Regierung Vertreter der demokratischen Opposition in die Regierung zu holen oder Neuwahlen zuzulassen.


Der polnische Politikwissenschaftler Prof. Dr. Dr. Tadeuz Przmilkwlksky von der Beinsteiß-Universität Hückelshofen befürchtet im schlimmsten Fall eine Spaltung der Republik, falls sich ausländische Regierungen weiterhin in die inneren Angelegenheiten Deutschlands einmischen: „Es muss klipp und klar gesagt werden, sowohl die USA als auch China/Russland haben handfeste Interessen, wenn es um die Bunderepublik als wichtigster politischer und wirtschaftlicher europäischer Macht geht. Hätten wir es beispielsweise mit einem Staat wie Bosnien zu tun, würde kein Hahn krähen. Die Interventionen aus dem Ausland gießen derzeit Öl ins Feuer. Im schlimmsten Fall wird sich der traditionell us-amerikanisch geprägte Teil der Bundesrepublik vom eher östlich orientierten abspalten.

Im Westen herrscht Unmut über jahrelange Transferleistungen in den traditionell wirtschaftsschwachen und von der Braunkohleindustrie geprägten Teil Deutschlands. Die Menschen dort fühlen sich als Menschen zweiter Klasse und bezeichnen es als demütigend, dass sie auch nach fast einem viertel Jahrhundert Deutsche Einheit noch als "neue Länder" bezeichnet werden.“


An der polnisch – deutschen Grenze wurden bereits verstärkte Truppenteile der Armee mit schweren Waffen gesichtet. Außenminister Krklwsktrosky sprach vom regulären Frühjahrsmanöver „Jagoda“, das nichts mit den derzeitigen -so wörtlich - bürgerkriegsähnlichen Zuständen in der Bundesrepublik zu tun habe. Allerdings bereite man sich selbstverständlich auf alle Eventualitäten, wie Flüchtlingsströme und anderes vor. Man werde nicht zulassen, dass Extremisten, welcher Seite auch immer, Polen als Rückzugsgebiet missbrauchten.


Für Freitag, Samstag oder Dienstag, evtl. auch Mittwoch, noch im Feburar oder vielleicht doch erst im Mai, hat Bundeskanzlerin Angola Meckel eine Regierungserklärung angekündigt. Noch hoffe sie allerdings auf eine friedliche Lösung des Konflikts und wolle abwarten twitterte ein Regierungssprecher.

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Donnerstag, 18. Juli 2013
Warum müssen Bushido pöbeln und Jonathan Meese ständig den rechten Arm hochheben und die beiden in einen Topf geworfen werden und die Medien so viel davon berichten?
[Einige assoziative Überlegungen, wild durcheinander geworfen, aber ohne jegliche Verschwörungstheorie mit dem Versprechen, jeder und jede darf sich was rausziehen und pöbeln]

Am Anfang war die Energie und die Energie strömte ins Sein und machte das Sein. Kinder werden geboren, gewollt oder ungewollt, geliebt oder ungeliebt.

Kinder landen an der Werkbank, im Hörsaal, in der Politik, im Knast. Manchmal auch dies nacheinander, doch zumeist entweder so oder so.

Kindern wird oft gesagt: „Es ist wie es ist“. Die das glauben, legen teilweise erstaunlich entspannte Leben hin. Lernen, arbeiten, treffen einen Partner, bekommen Kinder, bauen ein Haus, bekommen Enkel, reisen im Alter und sterben friedlich. Auf den Lippen ein zufriedenes „Es ist wie es ist – und es war nicht schlecht“.

Wenn ich in einer Reihenhaussiedlung aufwachse, mit einem Auto vor der Tür und meine Eltern Arbeit haben und wir zweimal im Jahr in den Urlaub fahren und ich Musikunterricht bekomme und zum Sport gehen kann und auf eine gute Schule gehe und an eine gute Universität gehen darf und mir gesagt wurde „wer arbeiten will findet auch Arbeit“ und mir gesagt wurde „manche sind zu dumm oder zu faul, Du aber nicht mein Junge“, dann, ja dann gibt es für mich keinen Grund mein Leben in Frage zu stellen, zumal wenn ich für Greenpeace spende und ein Patenkind in Namibia mit 50Euro im Monat unterstütze.

Wenn ich eine Straße weiter neben der Reihenhaussiedlung aufwachse, mit zu vielen Menschen auf zu wenig Raum und meine Eltern keine Arbeit haben und meine Eltern keine Bildung haben und wir kein Auto haben, aber die anderen und wir nicht in den Urlaub fahren, aber die andern und mir gesagt wird „es ist wie es ist und es wird nicht besser“, dann ist das so.

Und wenn das Mittelschichtkind gelangweilt ist und wenn das Mittelschichtkind nicht geliebt wird und wenn das Mittelschichtkind klauen geht und wenn das Mittelschichtkind Feuer legt und wenn das Mittelschichtkind vor den Kadi muss, dann kann es glimpflich ausgehen. Muss es aber nicht, vielleicht endet das Mittelschichtkind im Dreck und das war es dann mit der Mittelschicht.

Und wenn das Unterschichtenkind sich anstrengt und wenn das Unterschichtenkind gefördert wird und wenn das Unterschichtenkind ein Stipendium bekommt und wenn das Unterschichtkind eine Partnerin findet und wenn das Unterschichtkind aufsteigt und wenn das Unterschichtenkind dann ein Reihenhaus hat und ein Auto und Urlaub machen kann und Kinder hat, dann wird „es denen mal besser gehen“.

Aber wenn das Kind ein Türkenkind ist, das einen Türkenvater hat, der in Deutschland geboren wurde und eine Türkenmama hat, die in Deutschland geboren und wurde und wenn das Türkenkind dann merkt, dass es komisch angeguckt wird, obwohl das Türkenkind so deutsch spricht wie jedes andere Kind und gar kein türkisch kann und wenn die Eltern sagen, „Du muss Dich nur anstrengen“, aber das gar nicht mehr glauben, weil sie sich auch angestrengt haben, aber nicht angekommen sind, dann denkt das Türkenkind vielleicht noch mal nach.

Und dann sagt sich das Türkenkind „man mag mich hier nicht“ und dann sagt sich das Türkenkind, „dann mag ich Euch auch nicht“.

Und wenn ein Mensch im Gewitter steht und Angst hat und wenn ein Mensch vor Menschen steht und Angst hat und wenn ein Mensch auf dem Amt steht und Angst hat, dann wurde ihm vielleicht zu wenig Mut gemacht.

Und dann fängt dieser Mensch vielleicht an zu trinken oder zu schlagen und wenn er zuschlägt, dann ist die Angst weg und wenn er noch mal zuschlägt ist noch mehr Angst weg und wenn er zutritt und noch mal zutritt, und noch mal, bis Knochen brechen, bis ein Kiefer bricht, bis Blut fließt, soviel Blut, dann ist die Angst vielleicht weg und auch die Wut- diese irrsinnige Wut, soviel Wut, für den Moment weg.

Und wenn dem Kind gesagt wird, Du musst gehorchen und das Kind gehorcht und wenn dem Kind gesagt wird Du muss lernen und das Kind lernt und wenn dem Kind gesagt wird, „es ist wie es ist“ und wenn das Kind fragt, „wieso, kann es nicht anders sein?“ und wenn dem Kind diese wirren Gedanken ausgeprügelt werden und ihm gesagt wird, wir schlagen Dich aus Liebe, dann fügt sich das Kind. Oder es fügt sich nicht.
Es wird vorsichtig, es wird misstrauisch, es fängt an zu beobachten. Es beobachtet die Menschen, es sieht die Welt mit neuen, misstrauischen Augen. Es will immer hinter die Kulissen schauen. Je älter desto mehr. Und es sieht immer mehr Kulissen, falsches Sprechen, falsches Lächeln, falsches Berühren.

Und vielleicht denkt es nach und denkt nach und denkt nach und will verstehen, nicht was die Welt im Innersten zusammenhält, nein es will verstehen, wie die Welt funktioniert. Und es fängt an sich Gedanken über die Welt zu machen. Und es erkennt, dass es diese Welt gar nicht gibt. Nie gegeben hat und nie geben wird.

Wer in der Wüste lebt, wer im Eis lebt, wer in der Ebene lebt, wer in den Bergen lebt, lebt in einer eigenen Welt mit eigenen Gesetzen. Er sieht anders, er fühlt anders, er geht anders, er schmeckt anders.

Weltweit nutzen 2 Milliarden Menschen das Internet. Fast eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. 45 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. 1,4 Milliarden Menschen haben pro Tag weniger als einen Euro zur Verfügung. Weltweit gibt es derzeit 58 Kriege oder bewaffnete Konflikte.

Einer davon ist der Moro-Konflikt. Schon mal gehört? „Der seit Anfang der 1970er Jahre währende Konflikt konnte bei den Friedensgesprächen 2006 wegen erheblichen Divergenzen und schwerer Verstöße gegen das Waffenstillstands-abkommen zwischen der Regierung und der Moro-islamische Befreiungsfront (MILF), nicht gelöst werden. Die MILF fordert umfassende Autonomierechte, die Kontrolle über die vorhandenen Ressourcen und eine muslimisch geprägte Verwaltungs- und Regierungsform für das beanspruchte Gebiet, das mit Mindanao, dem Sulu-Archipel, dem Süden Palawans und Basilan rund ein Drittel des Staatsgebietes ausmacht.“[Wikipedia] (Na, um welches Land handelt es sich? Pustekuchen, nie gehört. Es sind die Philippinen.)

Ist dies die eine Welt? Ist dies die Welt in der alles mit allem zusammenhängt? Beileibe nicht. Die eine Welt gibt es nicht, es gibt den Planeten Erde, ja, mehr aber auch nicht. Es gibt keine Weltordnung. Es gibt keine Weltverfassung. Oder besser, ja es gibt eine Weltordung, es gibt eine Weltverfassung. Auf dem Papier.

Da steht es nun das Menschlein und versucht sich einen Überblick zu verschaffen. Das haben auch seine Väter und Mütter und Großväter und Großmütter versucht – machmal. Wie war das bei den Großeltern und Eltern: Zeitung, Radio, Fernsehen und Lexika. Wenn ich ad hoc etwas wissen wollte, schaute ich im Brockhaus nach oder einem anderen Lexikon.

„Bundeswehr: wichtigstes bewaffnetes Machtorgan des staatsmonopolistischen Regimes der BRD, dessen innenpolitische Funktion die Sicherung der monopolkapitalistischen Klassenherrschaft ist und dessen außenpolitische Funktion darin besteht, expansionistische Ziele unter militärischer Gewaltanwendung erreichen zu können.

NVA: sozialistische Armee des ersten deutschen Arbeiter- und Bauern-Staates, der DDR; bewaffnete Organ der von der Arbeiterklasse geführten Werktätigen zum Schutz der sozialistischen Ordnung, der sozialistischen Errungenschaften und des friedlichen Lebens der Bürger der DDR.“

Soweit Dietz Wörterbuch der Geschichte. In welchem Teil erschienen, lässt sich leicht erschließen.

Und was lernten wir in der BRD: Die Bundeswehr ist eine Verteidigungs- die NVA eine Angriffsarmee. Das ließe sich schon dadurch beweisen, dass BRDPanzer mehr Rückwärts- als Vorwärtsgänge hätten und bei der NVA sei es umgekehrt.

Mehr gab es nicht. Aktuelles fand in Funk und Fernsehen statt. Gegenmeinung in manchen Fernsehmagazinen (WDR „Rotfunk2) oder Zeitungen, TAZ. In Hamm/Westfalen las man keine TAZ, da las man die WAZ. In der DDR war das veröffentlichte Meinungsspektrum noch schmalspuriger, doch nicht gänzlich unkritisch, wie immer behauptet wird.

Es gibt keine Wahrheit, es gibt nur Standpunkte und über die kann man diskutieren. Das sehen oder wollen viele nicht sehen, weder die unterschiedlichen Wahrheiten, noch die Notwendigkeit des Diskurses. Dieser Diskurs war immer herrschaftsgeleitet, vor allem in Zeiten, in denen Meinungsäußerung eine Einbahnstraße war. Dem Volk blieb nur die Demonstration. Und die wiederum konnte eingeschränkt werden. Nun ist herrschaftsgeleitet nicht so zu verstehen, dass eine Stelle eine Meinung vorgibt (jedenfalls nicht im Westen). Doch verblüffender Weise folgt die Berichterstattung in der Regel einem Mainstream, was auch nicht verwunderlich ist.

Denn an den Schalthebeln der (Meinungs-)Macht sitzen doch recht homogen zusammengestellte Eliten. Kunst speist sich historisch eher aus einem linken Milieu, Parteiaktivisten stammen eher aus einem Mittelschichtmilieu. Wirtschaftseliten ticken eher konservativ. Ausnahmen bestimmen die Regel und sorgen für bunte Einsprengsel, nicht aber für Revolutionen.

Jetzt kann man gegenargumentieren und auf die friedliche Umwälzung in der DDR verweisen. Doch was ist dort passiert. Offensichtliche Dummheit der Herrschenden und ihrer dienstwilligen Vasallen – und das waren nicht wenige - hat den Zusammenbruch herbeigeführt. Elite wurde nicht erneuert, dem Volk wurden zwar Brot, aber zu wenig Spiel und Ablenkung in Form von Reisen, Autos und Südfrüchten gegeben. Dem Volk wurde auch die letzte Illusion von möglicher Veränderung genommen. Die Illusion von möglicher Veränderung stabilisiert Systeme, siehe USA:

47 Millionen Menschen in den USA leben von Essensmarken. 46 Millionen hatten vor der Einführung der gesetzlichen keine Krankenversicherung. Zustände, wie es sie in der DDR nie gab. Warum aber kommt es nicht zu Massenaufständen, zu einer friedlichen Revolution. Weil den Leuten eingebleut wird, täglich: Wir sind das freieste Land auf Erden, die älteste Demokratie, bei uns kann jeder! vom Tellerwäscher zum Millionär aufsteigen. Das ist Dauerbeschallung a la Nordkorea.

Die Einführung des Internets und des www war eine Revolution. Theoretisch kann sich jeder, jederzeit (außer die armen 2 Milliarden Menschen ohne Zugang, s.o.) über alles informieren und an allem partizipieren. Websites, Blogs, Twitter, Facebook geben Greti und Pleti die Möglichkeit von Partizipation. Urdemokratischer Marktplatz.

Alles Schwachsinn. Manche Länder kontrollieren, manche sperren.

Was wissen wir voneinander, was suchen Deutsche im Netz, was Kanadier, was Iraner, was Puertoricaner?

Es ist eine Nischenwelt entstanden, in der jeder seine Nische besetzen kann und wer es nicht aushält, geht nicht auf die Straße, sondern ins Internet.

Niemals waren mehr Informationen verfügbar, gleichzeitig herrscht eine beunruhigende Gleichförmigkeit vor, jeder schreibt von jedem ab. Shitstorms sind echte Stürme, sie stürmen hoch und verschwinden, als wenn es sie nie gab. Es herrscht eine unglaubliche Aufregung im Netz. Wenn im 18.Jahrhundert irgendwo etwas passierte, stand es vielleicht Tage später in einer Zeitung und wenn ich reagieren wollte und konnte, kam die Reaktion wiederum Tage später. Schnelle Informationen waren einer kleinen Elite per reitendem Boten und später Telegraph vorbehalten. Was bekam denn der Süßwasserfischer an irgendeinem See in Ostpreußen mit?

Heute branden die Themen hoch, riesigen Sturzbächen gleich fließen sie durch das Internet. Aufregung um Ägypten, um Snowden, um Krankheiten, Lebensmittelskandale. Tage und Wochen später fort, vergessen, ausgelöscht. Das ist Orwell!!!

Wenn ich einen alten Brockhaus, eine alte Zeitung im Schrank habe, kann ich noch mal nachblättern. Andere Dinge verschwinden, werden überschrieben, ausgetauscht. Ja, ja, soweit bekannt.

Die Frage ist, wie geht das alles weiter?

Je mehr ich weiß, desto weniger weiß ich. Die Gewissheiten verschwinden oder war das schon immer so? Nicht ganz: Amerika gut, Russland böse. Das war eine Gewissheit. Jedenfalls im 20. Jahrhundert. Was waren eigentlich die Gewissheiten davor? Wahrscheinlich keine. Da war nur, „es ist wie es ist, Du Landloser.“ Und jetzt? USA spioniert uns aus, Russland gibt dem Aufdecker Asyl. Riesenaufregung. Eigentlich weniger um den Sachverhalt, als um die Schwierigkeiten der Einordnung nach Gut und Böse.

Wäre es nicht einfacher zu sagen, es gibt keine Gewissheiten, maximal Wahrscheinlichkeiten und aus eigener Erfahrung gesammelte Erkenntnis? Was bringt es denn zu sagen, Deutschland ist ein reiches Land, wenn ich auf Hartz IV bin. Was bringt mir das beste Gesundheitssystem, wenn Ärzte meine Gesundheit verpfuschen. Was habe ich von Reisefreiheit, wenn ich kein Geld habe. Was habe ich von Informationsfreiheit, wenn ich nie gelernt habe, mich unabhängig zu informieren.

Die meisten Menschen verstehen irgendwann, wie der Hase läuft. Aber die Schlussfolgerungen daraus sind unterschiedliche. Der eine fängt an zu saufen, der andere zu schlagen, der dritte endet vor dem Bildschirm, der vierte auf der Straße, der fünfte wird Multimillionär und Steuerbetrüger oder Multimillionär und Machtgeil oder Multimillionär und Frauengeil.

Wer wird von uns am meisten verehrt? Popstars und Schauspieler. Was machen wir mit dieser statistischen Gewissheit?

Die Beschwörungsrituale verlieren an Kraft, weil die Rituale als Rituale verstanden werden. Wie lebt ein 40iger in Bosnien, der den Krieg erlebt hat, wie der 40jährige, der die DDR erlebt hat und wie der 40jährige der in Braunschweig aufwuchs und dort noch lebt.

Woher kommt der Hass, die Verachtung von Politiker und Demokratie? Weil Dinge versprochen wurden, die niemand halten kann. Das wussten die Politiker und das wussten die Wähler. Und es ging und geht immer so lange gut, wie es gelingt eine kritische Masse in Schach zu halten, durch Brot und Spiele. Da wo das nicht gelingt, kommt es zu Unruhen.

Warum begrüßten wir die Unruhen und den Putsch gegen Mubarak? Weil es ein undemokratisches System war. Warum kritisieren wir nicht den Putsch gegen den demokratisch gewählten Nachfolger? Weil er nicht in unser „Wertesystem“ passt, bzw. weil er sich unseren Einflussmöglichkeiten entzieht. Wir unterscheiden nicht nach Demokratie oder Nicht-Demokratie, wir unterscheiden nach Wertesystem und Einflussmöglichkeit. Deshalb können wir auch mit Saudi-Arabien. Wo machen wir eine Ausnahme von dieser Regel? Wenn wir sicherheitspolitische oder wirtschaftliche Nachteile befürchten (China. Wenn dort die Demokratie ausbricht, dann Gnade Gott der Stabilität der Region und der Absatzmärkte)

Das ist alles ist gar nicht schlimm, aber warum wird das nicht gelehrt, dass es die eine Realität nicht gibt, dass alles Interpretation und Sichtweise unterliegt? Und warum unternehmen wir nicht da echte Anstrengungen, wo es möglich wäre? Und da sind wir wieder oben bei den Kindern und ihren Startmöglichkeiten. Da, wo Notwendigkeiten klar sind, klar handeln, da wo Interpretationsspielräume sind, Transparenz zeigen und diese nennen und das Wort "alternativlos" von der Bundesprüfstelle für gefährliche Aussagen verbieten lassen.

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Montag, 28. Januar 2013
Sexismusdebatte – wie geil ist das denn


Berlusconi hat eine Minderjährige gevögelt? „Alter krass, voll abgefahren, kack die Wand an, boh.“ Riesenwelle in Indien gegen Frauenvergewaltigung: „Wow, ich werd nicht mehr, fuck.“ Protest von Pussy Riots in der Kirche und Kritik an Putin? „Geile Scheiße Rock´n Roll.“

Egal welches Thema in den Ring geworfen wird, eine zynische und ausgelaugte Medienmeute schafft es, jedes Thema zu Brei zu schlagen. Der Kongress tanzt. Themen werden per se nicht ernst genommen, weil der Masse der so genannten Journalisten und Tinnen jegliche intellektuelle Fähigkeit fehlt, ein Thema einzuordnen. Arabischer Frühling, Mali, Eurorettung, Steinbrück oder Merkel, überall Bildungswüste. Themen werden nicht mehr recherchiert, Themen werden durchgejagt, abgeschrieben, totgeritten.

Die Hauptrechercheleistung besteht nur noch darin, Themen auf das jeweilige Einzugsgebiet des dort erscheinenden Mediums "herunterzubrechen". Dann reicht es, wenn das Bottroper Tageblatt einen Bottroper auftut, der auch schon mal im australischen Dschungel war und „unseren Lesern exklusiv erzählt, wie es da WIRKLICH ist“. Der Rest wird abgeschrieben, abgekupfert. Entweder pro oder contra Dschungelcamp, je nach Lust und Laune und Stuhlgang des Leitenden.

Das Dschungelcamp ist zu Ende, die Sexismusdebatte ist da. Geile Scheiße! Der Saal rockt. Schmeiß Dein Thema in den Ring und dann Bingo!, wenn sich Menschen ernsthaft berufen fühlen, darauf einzugehen, am besten in diesem Twitter.

„Drucken Sie mir das aus Hase“, ergeht dann der Befehl des altsackigen, immer zu einem lüsternen Streich aufgelegten Chefredakteurs an sein weibliches Faktotum, das sich in der Kaffeerunde mit den Kolleginnen einig ist, „den neuen Volontär schmeiß´ ich auch nicht von der Bettkante, hi hi.“

Es gibt natürlich Menschen, denen Sexismus wirklich ein Thema ist, die sich mit den Vorgängen im Nahen Osten befassen, die wissen wollen, wie es in den USA jetzt in der zweiten Amtszeit Obama weitergeht. Diese Menschen sitzen aber nicht in den Redaktionsstuben. Da sitzen Menschen, die es „geil finden, was mit Medien zu machen“. „Meinung zu machen“.

Wer eine Atmosphäre erleben will, in der die Luft testosterongeschwängerter ist als in Redaktionsstuben, kann es vielleicht noch auf dem Bau versuchen. Männliche Hierarchien bis ins dritte Glied, durchsetzt mit weiblichen Sprengseln der hübschen (geile Schnitte) oder der engagierten (alte Lesbe) Art.

Seit Twitter, Facebook und Co. kommt endlich wieder Leben in die Bude. „Die Demokratisierung der Medien“ findet ihren Ausdruck in den so genannten sozialen – aber doch so oft asozialen - Medien. Hier findet der Redakteur Content – früher hieß das "Inhalt" – und kann das genüsslich ausschlachten, abschreiben, auswerten. Hier findet er oder sie „Volkes Stimme“.

Auf der Strecke bleibt die Wahrheit, auf der Strecke bleibt die Erwartung der Ernsthaften, dass sich wirklich etwas ändern könnte.

Wird es aber nicht, weil der nächste #Aufschrei sowieso kommt. „Hase was ist dieses kurze Zeichen vor dem Wort?“

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Donnerstag, 24. Mai 2012
Nie war weniger Kompass
Es war einmal ein Land…

In dem ging es nicht vor und nicht zurück. Das Land war gezeichnet, die Wirtschaft steckte in der Krise, die Arbeitslosigkeit war hoch und kleine Parteien, rechts und links am Rand hatten Hochkonjunktur. Heilsversprechen machten die Runde. Die Medien schlugen sich, je nach Ausrichtung, auf die eine oder andere Seite. Die Wirtschaft wollte ihr Geld zusammenhalten und unterstützte den rechten Rand. Der Rest ist Geschichte…

Es gab es einmal zwei Länder…

Die kamen ernüchtert aus einem großen Krieg. Die Menschen waren ernüchtert, das einzige wonach sich alle sehnten waren Ruhe und Sicherheit. In der einen Hälfte feierte die Restauration lähmende Urständ, in der anderen Hälfte wurde das gesamte Gesellschaftssystem auf den Kopf gestellt, doch hielt die anschließende Lähmung hier noch länger als auf der anderen Seite an. In den sechziger Jahren begehrten viele Menschen hüben wie drüben auf. Auf der einen Seite veränderte dies die Gesellschaft, auf der anderen wurde der Widerstand blutig unterdrückt. Beiden Seiten gemein war eine Abhängigkeit von der jeweiligen Großmacht und dem Wunsch nie wieder in einen Krieg zu geraten, auch wenn die jeweils andere Seite immer wieder der Kriegsgelüste bezichtigt wurde. Die Medien? Auf der einen Seite ausdifferenziert, auf der anderen Seite gleichgeschaltet.

Es ist ein Land…

Das seit mehr als zwanzig Jahren wieder eins ist. Das hochanerkannt ist in der Welt. Dem es wirtschaftlich gut geht. Das demokratisch verfasst hat. Das auf eigenem Land seit 67 Jahren keinen Krieg erlebt hat. Das souverän ist. Die großen Schlachten sind geschlagen. Und genau das macht Viele mürbe. Die „großen Themen“ wechseln schneller, als so mancher das eigene Unterhemd. „Es ist gut, natürlich könnte vieles besser sein, lasst uns daran arbeiten mit allen gesellschaftlichen Kräften“. Das wäre eine realistische Einstellung. „Es ist gut, aber das interessiert uns nicht, wir finden in jeder Suppe ein Haar“. Das ist Credo von Medien und Interessengruppen. Und weit und breit kaum ein Politiker, eine Politikerin, die dieses Spiel nicht mitmachen. Gefahr von rechts, Gefahr von links, Gefahr von innen, Gefahr von außen, Gefahr von oben, Gefahr von unten. Und weit und breit kaum ein Politiker, eine Politikerin, die dieses Spiel nicht mitmachen, kaum eine gesellschaftlich relevante Gruppe, die das Ganze vom Kopf auf den Fuß stellen könnte. Heute loben wir das schnelle Pferd, morgen mokieren wir uns, dass es Äpfel legt. Wir haben unseren Kompass verloren.

Wie wird das Land…

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Montag, 16. Januar 2012
Wir machen das Dschungelcamp
Jetzt reden wieder alle übers Dschungelcamp, aber keiner traut sich mehr darüber zu sprechen.

Erst habe ich auch gedacht,

- Die, die reingehen, wissen ja was sie erwartet
- Die brauchen das Geld
- Die wissen auch, dass über sie gelästert wird

Jetzt bin ich geschockt von meiner Gleichgültigkeit.

- Hier wird gegen die Menschenwürde verstoßen
- Hier werden Persönlichkeitsrechte verletzt

Am Sonntag sendete RTL eine Spiegelreportage über Dschungelcampfans, abschließend der entlarvende Satz: „Schadenfreude ist die schönste Freude“. Nein, Schadenfreude ist nicht die schönste Freude. Schadenfreude gibt es so wie den Wunsch, mal den Chef zu verprügeln oder den Konkurrenten umzubringen oder eine Schachtel Zigaretten zu klauen. Der Wunsch ist da, aber sollte er deshalb gefördert und goutiert werden?

Es mag in manchen Ohren zu hoch klingen, aber RTL unterläuft sittliche Normen und Werte, auf die wir uns als Gesellschaft geeinigt haben, mit dem Argument, die Teilnehmenden wollen das doch selbst und das Publikum auch.

Dann fordere ich an dieser Stelle die Einführung von Stierkämpfen in Deutschland, die Todesstrafe, Kinder- oder Tierliebe, Steinigungen, Folter und die entsprechenden Sendeformate.

Zu den Moderatoren, dem Schnitt der Sendungen und der Rolle der Protagonisten: Die letztgenannten können machen was sie wollen. Wer in den Medien arbeitet weiß, wie man Zitate aus dem Zusammenhang reißen und in einen neuen Zusammenhang setzen kann. Die Schnittdramaturgie bewirkt, dass das Publikum immer nur das sehen und hören wird, was den Regisseuren gefällt. Das bedeutet, die Zuschauer können sich überhaupt keine Meinung bilden, sondern werden im Schwarm der Millionen zu einer Meinung geführt, die zum gewünschten Abstimmungsergebnis führt.

Abschließend zur Rolle von Dirk Bach und Sonja Zietlow, die nach dem Motto verfahren, „Satire darf alles“. Nur ist dies eben keine Satire, sondern es ist die Bösartigkeit zweier Zeitgenossen, denen man wünscht, dass ihnen Ähnliches widerfahre. Natürlich würden sie das dann weglachen, aber Verletzung bleibt immer.

Ein Versuch: „Ein dicker „Künstler“, der weiß, dass seine Zeit nie da war und auch nie kommen wird. Eine blonde, unsichere, zu laute Person, hinterhältig und schrill.“ Beide haben den Rest von Anständigkeit hinter sich gelassen, weil ihnen Regisseure und Juristen einflüstern, es sei alles richtig was sie machen. Glaube doch keiner, dass diese beiden Dorfpomeranzen in der Lage wären, auch nur einen ihrer fragwürdigen Gags selbst zu schreiben.“

Im direkten Kontakt mit den Kandidaten sind sie freundlich, verständig und machen sich hinter deren Rücken über jegliche menschliche Äußerung lustig. Das ist kein Stilmittel, das ist feige. Ein besonderer Zynismus liegt in der Aufmerksamkeit der körperlichen Unversehrtheit den Tieren gegenüber, wobei die seelische Verfasstheit der Kandidaten nur nach dem Grad ihrer Zerrüttung gemessen wird. Ist die Angst vor Tierschützern hier größer als vor Menschenschützern?

Von der Logik der Sendung her spricht nichts mehr gegen weitere Formate wie: „Ich bin ein Migrant, ihr dürft mich verprügeln, wenn ihr mich bekommt.“ „Ich bin ein Politiker, macht mich fertig“. „Ich empfinde keinen Schmerz, Ihr dürft mich foltern“. „Ich bin ein armes Kopftuchmädchen, Ihr dürft mich steinigen“.

Die Zuschauer stehen in der Verantwortung. Wenn wir jemanden sehen, der auf einer Bananenschale ausrutscht, lachen wir vielleicht kurz, als Kompensation von Schock und haben dann ein schlechtes Gewissen. Dieses regulierende schlechte Gewissen, versuchen uns die Macher abzutrainieren. „ES IST GUT DARÜBER ZU LACHEN und das am besten jeden Tag“. So manchem historisch Gebildeten bleibt das Lachen im Hals stecken, denn schon öfter in der Geschichte ist uns das schlechte Gewissen abtrainiert und die Akzeptanz des Unmenschlichen antrainiert worden. Moralkeule? Ja und ich schwinge sie.

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Sonntag, 11. Dezember 2011
Drei Splitter


Die neuen Guttenbergländer
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Das World Trade Center wurde weggebombt? Verdammt, neulich war ich noch da. Das dieses „neulich“ oft vier und mehr Jahre zurücklag war egal. Es zeigte die besondere Beziehung des Erzählers zu dem Gebäude und ein leichtes Schaudern, dass es ihn ja fast auch hätte treffen können. Mit neuen und neulichen Dingen gehen wir sehr lax um.

Fragen sie mal ihre Frau, ob die Schuhe neu sind? Nie, nie ist etwas neu, es ist immer „schon alt“ und sie hat es „schon länger“. Dieses „schon länger“ kann auch einen Zeitraum von zwei Tagen beschreiben.

Stellen Sie sich mal vor, sie begegnen einem Bekannten und der stellt Ihnen seinen 21 Jahre alten Sohn vor mit den Worten, „das ist unser neuer Erdenbürger“. Undenkbar, richtig. Aber warum heißen dann Länder wie Meck-Pom, Thüringen oder Sachsen auch 21 Jahre nach ihrer Gründung noch „die neuen Bundesländer“? Neu ist ja eigentlich gar nicht schlecht, neu bedeutet frisch, unbenutzt, lange haltbar. Hier heißt neu aber immer, „die noch nicht fertigen“, die „nicht richtigen“, die „nicht originalen“ Bundesländer. Will sagen, in den alten Bundesländern und in den dort angesiedelten Köpfen und Medien herrscht so etwas wie ein Patentschutzgedanke. Hier die richtigen, da die falschen Bundesländer, die nachgemachten, die Plagiate. Das ist es also, ein Plagiatsvorwurf. Wir im Osten sind eigentlich die Guttenbergs der Bundesländer. Mal schauen, wie lange das noch in den Köpfen nistet. Und wenn das verschwindet, dürfen Bayern und Baden-Würtemberg wieder süddeutsche, Hessen und Thüringen mitteldeutsche, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein norddeutsche, Sachsen und Sachsen-Anhalt ostdeutsche und Nordrhein-Westfalen und das Saarland westdeutsche Länder sein. Der MDR hat es ja im Namen versucht. Wenn man aber bedenkt, dass Sachsen-Anhalt und Sachsen definitiv, weil an Polen grenzend, in Ostdeutschland liegen, dann kann sich hinter diesem Namen eigentlich nur Geschichtsrevisionismus verbergen.

Tötet Ackermann
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Ackermann ist scheiße. Finden alle. Ackermann wurde eine Bombe geschickt. Das ist nicht gut. Was ist gilt nun mehr? Ackermann scheiße finden oder Bombe scheiße finden? Vielleicht bekommt man beides hin. „Ich finde Ackermann scheiße, aber eine Bombe auf Ackermann schmeißen finde ich noch scheißiger.“ So geht das. Aber was ich letztens in einem Zeitungsinterview las, ist perfide. „Ja, Ackermann ist eiskalt. Ja, Ackermann entlässt eiskalt Beschäftigte, ja, Ackermann giert nach hoher Rendite, ja, Ackermann ist ein Erzkapitalist. Aber eine Bombe schickt man ihm trotzdem nicht.“ Ja, was bleibt denn da in den Köpfen hängen. Ja, was soll man dem denn schicken, wenn nicht eine Bombe. Einen Zitronenkuchen?

Zeitgeistjagd
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Wir haben unseren Kompass verloren. Entgültig. Jedenfalls zur Zeit. Früher war die Welt im Prinzip Gut und Böse. Guter Westen, böser Osten. Guter Osten, böser Westen. Je nach Lebensmittelpunkt. Wenn ein wenig differenzierter, „ja bei uns gibt es auch Fehler, aber…“ Die wenigen Spinner, die das jeweils andere System definitiv besser fanden, wurden entweder belächelt, beschimpft, fertig gemacht oder eingesperrt. Umdenkprozesse hatten ihre Zeit, man ließ sich gern mehrere Jahrzehnte Zeit. Todesstrafe, Schwule, Zivildienst, Anschnallpflicht, Abtreibung…Was ging es uns gut. Es machte nichts, wenn manche Reform 30 Jahre dauerte.
Und heute? Wirtschaftskrise, Atomdiskussion, Bundeswehreinsätze. Es ist niemand mehr da, der sagen kann, was definitiv richtig und was falsch ist. Die Standpunkte werden heute oft schneller gewechselt als die Unterwäsche. Mal preschen die Politik voran, mal die Medien. Es entsteht ein lustiges Kuddelmuddel, nichts gilt mehr wirklich, alles ist auf dem Prüfstand, nichts hat mehr Bestand. Mache sich mal einer die Mühe und liste die Titel der Talkshows der letzten 10 Jahre auf. Da ist das ablesbar. Mal sind HARTZ IV-Empfänger faule Säcke, mal sind sie Opfer des Systems. Interessanterweise lässt sich fast alles im Netz googeln, nicht aber die Titel der vergangenen Talkshows. Absicht oder System?
Es geht hier nicht um die Forderung nach einfachen Lösungen, es geht um die Feststellung eines Zustandes.

Stand heute 10.12.2011:

Länder gut: Amerika, Israel, Indien, Frankreich. Kroatien (neues EU Mitglied)

Länder gut ein bisschen: Irak, Saudi Arabien, Ägypten und Co. (also Tunsien, Libyien, etc.), Serbien (vielleicht neues EU-Mitglied), Italien

Länder schlecht: Iran, Kuba, Nordkorea, Russland (nicht ganz klar, vielleicht auch nur ein bisschen), Sudan

Länder noch keine Meinung, weil überhaupt nicht auf dem Schirm: fast ganz Südamerika, fast ganz Amerika

Der und die Lesende wird bei einigen Ländern anderer Meinung sein, ja, das sind die Länder, die im Rutschen sind, kann sich Morgen schon ändern. Keine Sorge!

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Mittwoch, 7. Dezember 2011
Da wo die Verrückten wohnen - eine Weihnachtsgeschichte


Da wo die Verrückten wohnen

Ich wohne in einer kleinen Stadt. Es ist schön hier. Aber es gibt viele Verrückte. Ich saß bei Frau Meier im Wohnzimmer und die hat es mir erzählt. Sie weiß es ganz genau, denn ihr Mann hat da gearbeitet, wo die Verrückten sind. „Mein Mann, Gott hab ihn selig“ sagt sie immer und schaut dann auf das Foto von ihrem Mann. Ihr Mann lacht auf dem Bild. Er trägt einen grünen Anzug und stützt sich auf ein langes Gewehr. Sein Fuß steht auf dem Kopf eines Wildschweins. Das schaut ein bisschen traurig, weil es tot ist. Frau Meier weint immer ein bisschen, wenn sie von ihrem Mann erzählt.

Ich weiß, wo die Verrückten wohnen. Man hat ihnen ein Haus gebaut. Das muss aber schon lange her sein. Solche Häuser werden heute nicht mehr gebaut. Es ist groß und grau, mit Betonplatten rundherum. Die Fensterrahmen sind aus grauem Metall.

Mama sagt immer, wenn ich mein Zimmer nicht aufräume oder mein Essen nicht aufesse oder meine Hausaufgaben nicht mache, dann lande ich irgendwann bei den Verrückten. Meine Klassenkameraden hören das von ihren Eltern aber auch immer.

Ich glaube, dass die Verrückten sehr gefährlich sind. Dass sie Leute umgebracht haben und vielleicht auch aufgegessen haben und dass sie ihre Augen immer ganz komisch verdrehen und manchmal Spucke vom Kinn runterläuft. Ich habe mal ein Buch gelesen, da haben sie auch Menschen gegessen, Kannibalen waren das. Ich glaube bei den Verrückten gibt es auch Kannibalen.

Ich habe mal den alten Herrn Schmidt gefragt. Der wohnt in einem kleinen Haus am Ende der Straße. Herr Schmidt ist viel rumgekommen. Er war Soldat und er hat mir Fotos gezeigt, ohne Farbe. Da war der Herr Schmidt noch ganz jung. Er lacht auf dem Bild. Er hat eine graue Uniform an und eine Mütze auf. Er stützt sich auf ein langes Gewehr. „Wir waren damals richtige Kerle“, sagt Herr Schmidt immer. „Heute sind das doch alles Weicheier und Schwuchteln.“ Ich weiß nicht genau, was eine Schwuchtel ist, aber der Torben, das ist der Enkel vom Herrn Schmidt, der hat mal gesagt, ich sei eine alte Schwuchtel. Der Herr Schmidt spricht viel über Sachen, die ich nicht verstehe, da kommen dann immer Worte wie Emanzen, Homos oder Toleranz vor. Toleranz ist so ein Wort, da sagt er immer „Hö, Hö“. Manchmal schreit er dann auch und verdreht die Augen. Aber ob die Verrückten Kannibalen sind, konnte er mir nicht genau sagen. „Würde mich aber nicht wundern“, knurrte er.

Ich habe die Verrückten noch nie gesehen. Ich glaube die sind immer in dem grauen Betonhaus. Manchmal sieht man, dass sich etwas hinter den Fenstern bewegt. Sie laufen dann im Kreis. Einer liegt immer auf dem Bett. Manchmal sieht man auch Leute mit weißen Kitteln. Vor den Büros hängen keine Gardinen. Da stehen grüne Pflanzen im Zimmer und manchmal hängt da eine Lichterkette, wenn Advent ist.

Jetzt ist wieder Advent und bald ist Weihnachten. Das ist für mich fast schöner als Geburtstag. Mit Mama backe ich Plätzchen. Wir haben auch schon einen Baum, der wird mit Kerzen und silbernen Kugeln geschmückt und wir gehen in die Kirche, weil ich im Krippenspiel mitmache. Ich bin dieses Jahr der Engel. Den Text kann ich schon auswendig: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren.“ Das nennt man die Frohe Botschaft hat der Pfarrer gesagt.

Neulich kam ein Bus mit Menschen in die Stadt, die eine ganz dunkle Hautfarbe hatten. Unser Pfarrer sagte, das seien Flüchtlinge aus Ländern in denen Krieg ist. Die Leute wurden dann in der alten Kaserne untergebracht. Einige aus der Stadt gingen hin und brachten den Leuten was zu Essen und Kleidung. Ich habe Mama gefragt, ob wir da auch was hinbringen können. Sie sagte aber, dass sei Schwachsinn, weil die hätten sowieso schon alles und sie würde die Kleidung lieber bei Ebay versteigern, da bekäme sie noch Geld und davon könnte sie mir Geschenke kaufen. Ich bin doch ein bisschen froh, dass wir unsere Sachen nicht verschenkt haben. Ich wünsche mir nämlich eine Wii und die ist ganz schön teuer.
Gestern Abend sind ganz viele aus der Stadt zu der Kaserne gegangen. Die hatten Plakate in der Hand, auf denen standen so Sachen wie „Wir sind das Volk“ und „eine Anstalt ist genug“. Der Herr Bertram war ganz vorne und der hatte ein Megaphon in der Hand. Das ist ein tolles Ding. Da spricht man ganz normal rein und es kommt ganz laut raus. Der Herr Bertram hat geschrien, die Leute sollen zurück gehen, wo sie herkommen. Ich habe ihn gefragt, wo die denn herkommen. „Die kommen aus dem Boguffenland. Die gehören hier nicht hin. Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg und die Frauen und außerdem klauen die.“ Der Herr Bertram hat ganz wütend geschaut und immer wieder in sein Mikrophon geschrien und ihm lief beim Schreien auch ein bisschen Spucke aus dem Mund. Da habe ich natürlich auch ein bisschen Angst bekommen. Dann kam der Bürgermeister und hat gesagt, er könne die Leute ja verstehen, aber es gäbe Gesetze und so und ihm seien auch die Hände gebunden. Die Leute haben dann aber noch mehr vor der Kaserne rumgeschrien und Bier getrunken. Heute Morgen kam ein Bus und hat die Leute aus der Kaserne wieder weggebracht. „Jetzt haben wir wieder Ruhe“, hat Mutter geseufzt. Eine Anstalt mit Verrückten sei schon schlimm genug.

Ich habe in meinem Kinderatlas nachgeschaut, wo das Boguffenland ist, aber ich habe es nicht gefunden. Mama weiß auch nicht, wo das ist. Ich weiß aber wo die Türkei ist, denn da fahren wir im Sommer hin. Da ist es ganz warm hat Mama gesagt und die Leute da sind ganz gastfreundlich. Da freue ich mich drauf.
Ob die da auch Weihnachten feiern?

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Freitag, 25. November 2011
Correct Betroffen

Neulich hat sich ein Metzger das Leben genommen. Wo war da die Betroffenheit der Metzgerinnung und des Bundesgesundheitsministers? Wo die Forderungen zu schauen, was im Metzgerhandwerk los ist? Ein Schiedsrichter muss es sein, der sich die Pulsadern aufschneidet und dann herrscht Betroffenheit. Eher private Gründe für die Tat? Egal, es stürzen sich so viele in Betroffenheit auf das Thema, dass jeder ein bisschen seine Ansichten verbreiten kann. Stress im Fußball, Mobbing, alles wieder da. Das nennt man Agendasurfing. Es fällt heute schwer, latente Probleme auf normalem Weg ins Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Ein Prominenter muss ausgebrannt sein und dann wird burn out thematisiert. Und dann stürzt sich jede Organisation, jeder Politiker, jede Lobbygruppe auf das Thema, egal wie passend oder unpassend die Beiträge sind. Es muss aber schnell gehen, denn das Fenster „Aufmerksamkeit“ schließt sich schnell wieder.

Es gab mal eine Nachrichtenwerttheorie, mit deren Hilfe Faktoren benannt wurden, nach denen es ein Thema in die Schlagzeilen schafft. Einer der wichtigsten Faktoren, neben Prominenz, Skandal, Sex, Nähe, Kuriosität war „Relevanz“. Diese Theorie wurde vom Kommunikationswissenschaftler W.Schulz entlarvt: „Die Nachrichtenfaktoren sind nicht Merkmale von Ereignissen, sondern journalistische Hypothesen von Realität.“ Heißt, nicht die Relevanz entscheidet, ob ein Thema ein Thema ist, sondern die Medien.

Lehrer haben keine Lobby. Die Ausfallrate bei Lehrern ist eine der höchsten in allen Berufsgruppen. Betroffenheit? Fehlanzeige. Ich bin kein Lehrer, was aber wäre wenn heraus käme, dass 70 Prozent aller Chemiefacharbeiter die Rente nicht erreichen. Man würde mal fragen, was da los ist in der Chemiebranche. Wie viele Lehrer müssten sich suizidieren, bis jemand aufmerksam wird, bis jemand Betroffenheit zeigt? Solange wird man einen Teufel tun, Suizide bei Lehrern mit dem Beruf und den Rahmenbedingungen in Verbindung zu bringen.

In Deutschland treiben drei Verbrecher, die sich als Nazis bezeichnen, ihr Unwesen. Sie töten in 10 Jahren 10 ausländische Mitbürger. Das ist ein schlimmes Verbrechen, das gehört verfolgt. Was passiert aber? Eine PR-gesteuerte Betroffenheitsorgie bricht los, bevor irgendwas richtiggehend aufgeklärt ist. Medien vergießen Krokodilstränen, weil sie von „Dönermorden“ gesprochen hatten. Ich bin aufgewachsen mit dem Begriff „Reichskristallnacht“. Das Wort löste in mir ein Schaudern ob dieses bösartigen Verbrechens aus. Irgendwann beschloss jemand, dass das ein Euphemismus sei, weil es auch von den Nazis schon so benutzt wurde. Der korrekte Name lautet jetzt Reichspogromnacht. Pogrome gibt und gab es aber viele. Die Einzigartigkeit dieses Verbrechens geht verloren. Das aber nur als Randbemerkung.

Jetzt sind ob der Morde so viele betroffen, dass ich es nicht mehr sein kann, weil ich mich mit vielen dieser „Betroffenen“ partout nicht auf eine Stufe stellen kann. Der Bundespräsident lädt die Opferfamilien ein, Geld soll fließen. Das wäre gar nicht so schlimm, wann hat der Bundespräsident aber andere Opferfamilien eingeladen? Wir sind ein Rechtsstaat, der Rechtsstaat muss seine Arbeit erledigen. Müssen wir jetzt immer jemanden einladen, wenn die Polizeiarbeit versagt, wenn der Rechtsstaat Fehler macht? Die Tür im Bundespräsidialamt ginge nicht mehr zu. Nein, Versagen muss untersucht werden. Keine Frage. Aber wer jetzt alles sein Mütchen kühlt, wer jetzt alles das Leiden der Opfer missbraucht. Der Spiegel startet eine „Braune Armee Fraktion“ Angstkampagne. Die haben sich wahrscheinlich in die Hose gemacht vor Freude, die Texter, als ihnen dieses tolle Bild kam. Dass das aber schief ist, ist allen egal. Jetzt stehen sie wieder da, die Verfassungsschutzreformer, die NPD-Parteiverbieter, die „mehr-Geld-gegen-Rechts“Einforderer, die „rechte Gewalt-linke Gewalt“ Protagonisten. Sie alle haben nur darauf gewartet, ihre Pressestatements mal wieder aus der Schublade rauszuholen. Die Hysterie in den Medien wird zu Ermüdung bei Allen führen und bald ist das Thema dann wieder durch.

Damit ich nicht falsch verstanden werde, jedes dieser Themen ist relevant und Gesinnungstäter und Verbrecher gehören verfolgt, soziale Arbeit gehört ausreichend finanziert und die Existenz einer rechtsextremen Partei ist unerträglich. Es fehlt jedoch die Ernsthaftigkeit im Umgang mit den Themen und deshalb wird jetzt ein Vorkommnis missbraucht von denen, die immer schon irgendwas sagen wollten. Die Medien, die Politik und damit auch die Menschen verlieren vollkommen den Überblick, alles wird in einen Topf geworfen, keiner versteht mehr irgendwas, weil keine wirklich zuhört. Es fehlen Ruhe und Gelassenheit, zuhören und erörtern. Erklär mir einer mal Eurokrise und Rezepte dagegen.

Ist aber alles nicht so schlimm, denn wir haben ja Gutti wieder, ohne Brille mit neuer Frisur und etwas fülliger. Ein super inszenierter Coup, Auftritt in Halifax, Exklusivinterviews und ein Buch. Hier haben die Strategen ganze Arbeit geleistet und nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit sitzt er an einem der nächsten Sonntag bei Günter Jauch.

Es passiert nichts mehr in dieser Republik. Es wird passiert.

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Donnerstag, 25. Februar 2010
Kässmanns Stern wird noch strahlen
Dienstwagen unter keinem guten Stern
Frau Kässmanns Autofahrt stand ganz offensichtlich unter keinem guten Stern. Den hatte sie auch nicht auf der Haube, sondern sie lenkte einen VW-Phaeton. Ein Blick in Wikipedia hätte ihr klargemacht, dass das nicht gut gehen kann.

Der Name Phaeton entstammt der griechischen Mythologie. Phaeton war der Sohn des Sonnengottes Helios, der dessen Wagen gegen den Rat des Vaters lenkte. Dabei geriet Phaeton der Wagen außer Kontrolle und verbrannte die Erde. Phaeton selbst kam bei dieser Fahrt um und fiel in den Strom Eridanos.

Und Kässmann ist ja nicht die erste öffentliche Person, der das Fahrzeug kein Glück brachte. Oder ist nur mir aufgefallen, dass die Kombination Alkohol und Phaeton schon beim Haider Jörg schief gegangen ist?

Frau Kässmann kann es egal sein. Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität hat sie einen eleganten Abgang gewählt. Einziger Wehrmutstropfen ist das völlige Unverständnis für diesen Schritt, geäußert von Ihrem Weißbier-Vize Beckstein. Eben der Ex-Ministerpräsident der behauptete zwei Maß Bier schränkten die Fahrtüchtigkeit nicht ein.

Die gesamte Biertrinkernation hält den Rücktritt wahrscheinlich für übertrieben. An Stammtischen erzählen sich die Schluckspechte dieser Tage ihre Heldengeschichten, wie besoffen sie schon Auto gefahren sind. Und da müsste sich Frau Kässmann mit ihren 1,55 Promille wahrscheinlich ganz hinten anstellen.

Vergessen wird in der Diskussion, dass aus moralischen Gründen heute kaum noch jemand agiert und auch Frau Kässmann wird ihre Berater haben. Die Frau ist 51, steht in der Blüte ihres Lebens, ist beliebt und hat Krebs und Ehe überwunden. Mit ihrer Geschichte hat sie viel Bewunderung geerntet, für ihre Geschichten weniger. Ihre öffentlichen Äußerungen zu Afghanistan gingen nach hinten los, Verteidigungsminister Guttenberg stellte sie für ihre Kritik am Einsatz in den Senkel.

Die Tatsache, dass sie, als Frau und Geschiedene EKD-Vorsitzende wurde, dass ist ihr Trumpf. Die nächsten Jahre wären nur noch Routine gewesen, mit oder ohne Alkohol.

Wer Karriere machen möchte und das Rentenalter noch nicht erreicht hat, tritt in einem solchen Fall kurzzeitig zurück und steigt danach wie Phaeton, ne Phönix aus der Asche. Das war bei FlugmeilenGysi und FlugmeilenÖzdemir genauso.

Frau Kässmann überwintert jetzt als einfache Pastorin und als was kommt sie wieder? Als Bundespräsidentin. Gesine Schwan konnte sich aufgrund ihres erbarmungswürdigen Gebisses nicht durchsetzen. Das Thema weiblicher Bundespräsident ist jedoch nicht vom Tisch. Wäre Frau Kässmann EKD-Chefin geblieben hätte sie nicht so ohne weiteres rüberwechseln können. Jetzt hat die Braut vier Jahre Zeit sich hübsch zu machen.

P.S. Der Bundespräsident fährt Mercedes und er sitzt nicht selbst am Steuer. Prost!

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Sonntag, 15. November 2009
Selbstbefriedigung mit Robert Enke
100.000 Menschen trauern um einen Mann, der sich vor einen Regionalzug geworfen hat. Die Menschen können nicht mehr trauern, Trauer wird zum Event. Ein Popereignis. Größer, schöner, emotionaler. Unsere Gesellschaft ist völlig aus den Fugen geraten, hat jeden Maßstab verloren. Reporter halten Trauergäste das Mikrophon ins Gesicht und fragen: „Wie hat Ihnen die Trauerfeier gefallen?“ Viele haben jedes Maß, jedes Gefühl, jeden Respekt verloren. Heute betrauern 100.000 den Tod eines Fußballers. Die gleichen 100.000 feiern morgen den Sieg der Fußballweltmeisterschaft. Warum auch nicht. Es wechseln nur die Vorzeichen, der Rest ist gleich. Poplieder werden gesungen (You never walk alone). Redebeiträge werden genauso beklatscht wie Tore, der Kongress tanzt. Selbstkritisches ist zu hören, von immer den Gleichen, mit immer den gleichen Floskeln, egal ob jemand stirbt oder ein Spiel verloren geht: „Der Tod – respektive die Niederlage – soll uns zum Nachdenken anregen, sonst wäre er/sie ohne Bedeutung“.

Ein Mann scheidet selbstbestimmt aus dem Leben und die Nation feiert eine große Party, der Psychologe und die Ehefrau entern die Mikrophone, eine Landesbischöfin schmeißt sich in Schale. Keine Gegenstimme ertönt, bzw. keine Gegenstimme wird übertragen. Auf den noch glimmenden Resten eines Prominentenlebens kochen möglichst viele ihr eigenes Süppchen. Die Fußballverantwortlichen üben sich öffentlich in Demut und suchen gleichzeitig nach Ersatz. Die Medien schlachten das Thema Depression aus, setzen so genannte Experten ans Telefon und warnen öffentlich vor dem Todschweigen und hoffen heimlich auf Nachahmertäter.
Ein großes Geheul setzt ein über die Unmöglichkeit, in dieser Gesellschaft zu seinen Schwächen zu stehen. Oh Ihr Pharisäer. Was macht Ihr denn mit einem Politiker, einem Sportler, einem Großindustriellen, der sich zu seinen Depressionen bekennen würde? Was war denn mit Sebastian Deisler (Depression -abgeschrieben), was denn mit Sven Hannawald (burn-out). Ihr Heuchler und Krokodilstränenproduzierer. Euch ist alles egal. Ihr schielt auf die Quote, Ihr haltet die Kameras gnadenlos drauf, ihr gebt Euren Trauerstimmen ein tiefes Timbre. Ihr lügt und betrügt alle und Euch selbst und merkt es oft gar nicht mehr. „Wir haben gerade die Bilder der Trauerfeier von Robert Enke gesehen. Es fällt schwer jetzt über den SPD-Parteitag zu sprechen“. Nein, das stimmt nicht. Ihr müsstet sagen: „Komisch, wie leicht es fällt von einem Thema auf das andere zu schwenken.“ Warum seid Ihr nicht so ehrlich und steht dazu, zur Wahrheit des Menschen. Die, die heute auf Enkes Trauerfeier stehen, brüllen und schreien am nächsten Tag genauso fröhlich beim nächsten Spiel. Wenn das so ist, dann lasst es uns doch akzeptieren, hört auf Euch Scheinwelten aufzubauen.

Ein Sarg steht auf einem Spielfeld. 100.000 blicken drauf. 80 Prozent denken sich, da liegen doch bestimmt nur Stücke, Fetzen drin. Keiner spricht es aus. Warum nicht? Es wäre ein Tabubruch. Wir haben überhaupt keine Ahnung mehr von Tabus. Wir haben überhaupt keine Zeit mehr. Wir leben Ex und Hopp. Der ein oder andere mag sich denken, blöd, für mich würde es nie so eine Trauerfeier geben. Diese Art von Betrauerung setzt neue Maßstäbe. Was haben wir uns lustig gemacht über die großen Paraden, zu Jahrestagen oder zu Sterbetagen in diktatorischen Ländern, mit Fackelzügen und Blasmusik. Hier laufen die Leute freiwillig, dort mussten sie hingekarrt werden. Ach ja. Wie freiwillig, wie eigenwillig können Menschen entscheiden, wenn die öffentliche Meinung den Takt vorgibt. Es zuckt doch in den Fingerspitzen, es einmal auszuprobieren, einmal die ganze Maschinerie in Gang zu setzen, um auch für Lieschen Müller ein solches Event zu starten. Wir sind besinnungslos geworden, unser Leben spielt sich in der Masse ab und wer nicht dazugehören will ist selbst schuld.

Liebe schwule Fußballspieler: Kann sich bitte mal einer von Euch vor einen Regionalzug schmeißen, sonst wird das doch nie glaubwürdig thematisiert. Ich höre schon Herrn Zwanziger!

Das Magazin Titanic macht sich seinen Reim:


und erntet folgenden Kommentar:

Datum: Wed, 11 Nov 2009 20:06:35 +0100
Von: Thorsten T*****

absolut bemittleidenswert was ihr macht. euch sollte man wie die juden vergasen und davor eure kinder vor euren augen bei lebendigen leib verbrennen. kein respekt vor der würde des menschen. richtig behindert seid ihr. das hat überhaupt nichts mehr mit satire zu tun.
Quelle Karikatur und Kommentar: www.titanic-magazin.de

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Freitag, 27. Februar 2009
Was hat sich eigentlich geändert?

20 Jahre Mauerfall. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Finanzkrise schüttelt und beutelt die gesamte Welt. Opel hat gestern einen Quartalsverlust von 10 Milliarden Euro bekanntgegeben, die Hypo Real Estate wird mit Milliarden gestützt, Obama Hauhaltsetat hat ein Defizit von 1700 Milliarden Dollar. Die DDR galt am Ende als pleite, bei einer Verschuldung von 19 Milliarden Mark (durch 2 ergibt Euro liebe Spätgeborenen)

Einige Anmerkungen hier:

http://www.memo.uni-bremen.de/docs/m3905.pdf

Was soll mit diesem Blogeintrag bewirkt werden? Propaganda? Nein, nur eine erneute Überprüfung von Realitäten und politischen Argumenten. Und was passiert sonst noch im 20. Jahr des Mauerfalls: Interessanter Link hier: http://www.thueringen-taxi.de

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Sonntag, 25. Januar 2009
Wer bloggt?

...hat nie gebloggt. Adolf Hennecke, erster DDR-"Held der Arbeit"

Wer also bloggt?

Die Suchenden, die Sehenden und die Zweifelnden. Diejenigen, die noch in den 90iger Jahren nach getaner Arbeit sarkasmussschwer* mit einem Glas Barolo in Ihrer Designerküche die Verlogenheit des Seins zerpflückten. Die Medien, Kunst- und Kulturbeflissenen, die neidisch dem Bauingenieur, dem Fließbandarbeiter, der Friseurin über die Schulter schauten, diesen Ergebnisproduzierenden.

Sie selbst nur Zweitverwerter, Überleger, Ausprobierer, immer wieder an der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns Zweifelnden.

Für sie, für sie wurde das Blog erfunden. Hier können sie sich verbreiten, Gedanken nachhängen, die ansonsten nicht ins System passen. Ihnen, den Selbstdarstellenden reicht das anonyme Tagebuch nicht mehr. Sie fühlen sich berufen, die Welt an Ihren Em- und Befindlichkeiten teilhaben zu lassen. Sie wollen entdeckt werden, würden dies aber, darauf angesprochen, brüllend lachend und zuckend verneinen. Wir waren immerhin nicht in der SS lieber Günther.

Wohlan Sarkast. Schreibe und gesunde. Lesen Sie demnächst: Wer heute twittert, hat früher Ameisen mit dem gebündelten Sonnentrahl der Lupe umgebracht.

*Da isser, für Dich Jean Stubenzweig

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Samstag, 24. Januar 2009
Von Lemmingen, Zynikern und Fanatikern

Die 30iger von heute sind größenwahnsinnig, arrogant, hochstaplerisch, verdruckst, bindungsunfähig, harmoniesüchtig und immer nach der Suche nach dem Echtem. Ihre Realität erleben sie nur als Zwischenstadium, als Fahrstuhlaufenthalt auf dem Weg – ja nach wo eigentlich. Die 30iger sind entgültig in ihrem Urteilen, ihrem Wollen, ihrem Nichtwollen und das Ganze wird ständig neu gemischt, befragt, hinterfragt, abgelehnt, eingefordert. Die 30iger sind nicht wirklich ideologisch, nicht wirklich verlogen, nicht wirklich ablehnend, sie schrammen aber immer ein ganz klein bisschen an der Wirklichkeit vorbei und das nur deshalb, weil sie ihre Wirklichkeit nicht so ganz annehmen und immer auf eine andere Wirklichkeit schielen. Die 30iger von heute schreiben genauso verschrobene Texte wie diesen, voll Larmoyanz, voll kokettierender Selbstgerechtigkeit.

Ja es gibt auch die gebundenen, verheirateten, Kinderhabenen 30jährigen, doch die sind überhaupt nicht echt, nur Abziehbilder ihrer eigenen Rollensuche, im schlimmsten Fall in ihren Rollen aufgehend. Sie werden von den richtigen 30jährigen immer mit Missgunst, Neid, Verachtung, Misstrauen betrachtet. Die richtigen 30jährigen verehren Nick Hornby, Frederic Beigbeder und wenn historisch bewandert, Remarque, Wiechert und Houllebecq. Manche lesen auch Krimis. Aus all ihrem Tun machen sie aber ein Dogma.

Die richtigen 30iger sind bindungsunfähig, lieben aber das Leiden in der Verliebtheit, wobei sie selbst nicht wissen, ob dabei auch das Gegenüber eine Rolle spielt, oder ob es nur um das Gefühl geht. Denn die 30iger sind natürlich egoistisch. Wenn sie sich irgendwie engagieren, dann nur aus Selbstzweck und zur Steigerung des Egos. Denn der 30iger verachtet jede Form von Fanatismus , sei er religiöser, politischer oder humanitärer Natur. Der 30iger sehnt sich nach Gesellschaft und pflegt doch das Image des rast- und ruhelosen Wolfes, gespickt mit Zitaten des Goetheschen Wandlers und Wallers auf Erden, wobei daraus oft ein Schwallen, ein Schwelgen wird. Der 30iger läuft immer Gefahr, sein Umfeld zu durchleuchten und zu definieren. Bloß nicht 1:1 in ein Gefühl. Besser das Gefühl durch Beschreibung auf Abstand, unter Kontrolle zu halten.
Die 30iger sind Zyniker, Satiriker, Sarkasten, sie erfinden eigene Begriffe, eigene Sprachen, sie betreiben Wortakrobatik und programmieren Internetseiten,

- auf denen Warmduscher und Schattenparker-Begriffe gesammelt werden

- auf denen alle Worte aufgelistet werden, die auf nf enden (5 Stück an der Zahl)

- die sich lustig machen über die Fülle bekloppter Aphorismen (Weiße Tauben träumen von der Freiheit, wilde Tauben fliegen, nur wer sich bewegt spürt seine Ketten, Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum),

- auf denen Sprachverhunzung betrieben wird (herzlichen Glühstrumpf, das kann ja wohl nicht Warstein, zum Bleistift, bis Danzig, etc.)

30jährige aus dem Westen fahren nicht in den Osten, 30jährige aus dem Osten lassen sich ihren Dialekt wegoperieren.

Sie haben es gemerkt, hier schreibt die Blaupause eines 30jährigen, der wie viele 30iger die Botschaft hat alle zu verspotten, die eine Botschaft haben. Seit drei Jahren bin ich der Prototyp eines 30jährigen. Ich sehe gut aus, ich bin groß genug, ich verliere langsam meine Haare, trage eine Intellektuellenbrille, aus kräftigem Kunststoff, unten randlos. Ich trage gerne dunkel, aber nicht zu auffällig und bloß keine schwarzen Rollis. Ich treibe regelmäßig Sport, habe schon fast den Ansatz eines Waschbrettbauches, ich küsse gut und mir wird eine ungewöhnlich weiche Haut nachgesagt. Ich träume von Sex in allen Variationen, bin im Bett nur guter Durchschnitt und habe bereits eine Therapie hinter mir.

Ich hasse fast nichts mehr als 30jährige, die über sich und ihre Generation reflektieren. Oder genauer gesagt, die das alles für aufschreibenswert oder gar veröffentlichungswert halten. Ich mag das Polarisieren in der Sprache, spreche viel von Hass und Verachtung und dergleichen und habe mich noch nie zu einer anständigen Prügelei durchringen können. Ich habe selbstverständlich Zivildienst gemacht, selbstverständlich gegen den erklärten Wunsch der Familie, ich bin kein Einzelkind, ich komme aus scheinbar geordneten Verhältnissen und ich war schon mal 3 Monate in Indien, ein Trip mit dem man nach wie vor Eindruck schinden kann. Ich schreibe seit einigen Jahren und habe mir jetzt einen gewissen, geschliffenen Stil angewöhnt.

Eigentlich müsste dieser Text gar nicht geschrieben werden, weil all das worüber ein durchschnittlich begabter Mensch so reflektiert schon tausende Mal reflektiert, besprochen und beschrieben wurde. Ich werde also nicht schreiben über die heutige Talkshow-Kultur, ich werde mich nicht lustig machen über das traurige Schicksal der Alt-68iger, ich werde nicht über Kultprodukte wie Nutella, Twix und was auch immer sinnieren. Ich mache ein größeres Fass auf. Ich stelle Ihnen und mir die Frage, wo kommen wir her, wo gehen wir hin.
Müdes Abwinken ? Nein bitte nicht. Denn wir leben in einer Zeit des Scheiterns. Wir sind alle gescheitert. Und wenn der Mensch nicht mit der Gabe des Selbstbetrugs gesegnet wäre, käme es zum Massensuizid.

Es gibt drei Sorten von Menschen: Die Zyniker (oder auch Sarkasten - je nach Tagesform), die Fanatiker und die Lemminge. Die Zyniker sind die ängstlichsten und nicht in der Lage, sich in irgendetwas fallen zu lassen. Sie sind immer auf der Hut, sie verstecken sich hinter geschliffenen Worthülsen, sie verachten alles Etablierte, und manchmal sehnen sie sich auch danach, das bringen sie aber laut und polternd zum Ausdruck. Die Fanatiker sind die, die an das glauben, was sie tun. Sie sind weit von der Realität entfernt. Sie kämpfen gegen Aids in Afrika und anderswo, für Menschenrechte, gegen Sozialhilfebetrug, sie sind überzeugte Christen oder noch überzeugtere Atheisten, sie dulden keinen Widerspruch und wissen nicht, wo man beim Auto den Ölstand kontrolliert. Ohne sie gäbe es kein Brot für die Welt, kein Attac, kein Rettet die Wale und die Delfine, keinen Dieselkatalysator und kein Verachten der Käfighaltung. Sie kommen mit der Welt nicht zurecht und haben sich deshalb in ihrem Bestimmungsraum eingeschlossen. Und die Lemminge ? Sie sind das Salz in der Suppe der Finanzminister, der Auto- und Videorekorderhersteller, der Touristikbranche, der Fitnessbranche. Die Lemminge erst machen Staaten möglich. Die Lemminge sind nicht in der Lage Zyniker oder Sarkasten zu sein, die Fanatiker sind die Unberührbaren und die Zyniker halten sich die Karriere der Lemminge und der Fanatiker immer offen. Sie haben noch die offenste Zukunftsprognose.

Wie wird man ein überzeugter Zyniker? Man muss ein großes Potential an Halbbildung mitbringen, am besten aus allen Bereichen, Sport, Musik, Religion, Genussmittel, Gesetzesübertretungen, Politik, Geschichte. Man sollte mit allem, über das man sich auslässt, Berührungspunkte gehabt haben, dort aber nicht zu sehr oder wenn nur kurze Zeit aufgegangen sein. Man muss frühzeitig die Chance bekommen haben, in vielen Bereichen hinter die Kulissen der Scheinwelten geschaut zu haben. Das immunisiert vor Fanatismus. Wer einmal realisiert hat, dass Bagwhan 100 Rolls Royce fuhr und die von seinen Anhängern finanziert bekam, der bewundert Baghwan maximal noch für seinen Geschäftssinn oder seinen Autogeschmack und stellt bescheiden fest, dass es einem selbst schon reichen würde, einen Rolls Royce zu fahren. Niemals aber würde man Anhänger von Bagwahn, anderen Gurus, man würde nie Sammler von Rabattkarten, kauft ungern Soundtracks von Filmen, auch kein Buch zum Film oder zur Serie und ist auch vor Playstations, Game Cubes, bunt bedruckten Sonnenschutzen für Autos, Markenrucksäcken oder CD Boxen nach der „Best of“ Manier gefeit.

Einer Gefahr unterliegen der Zyniker oder Sarkast allerdings immer: Der Angst vor Leere. Und je leerer das Sein, desto sarkastischer der Zyniker und desto zynischer der Sarkast. Im Gegensatz zum Lemming und zum Fanatiker muss sich der Zyniker seine Welt immer wieder neu erfinden, was auf Dauer natürlich anstrengt. Deshalb träumt der Zyniker auch immer davon „auszusteigen“, ein Akt, dessen Umsetzung aber an seinem Zynismus scheitert. Denn zu viele sind schon ausgestiegen. Zyniker schreiben auch eher Kurzgeschichten oder Gedichte, manchmal auch Lieder, selten aber Romane. Denn Zynismus ist ein flüchtiges Geschäft und bekommt schnell den Geruch des Abgestandenen. Die besten Romanciers sind die Fanatiker, die dann eben fanatische Romanautoren sind. In welchem Metier sie sich tummeln ist egal. Hemingway, Simmel, Konsalik, alles Fanatiker (und Geschäftemacher), was sie aber öffentlich nie zugeben würden, denn sonst wären sie Zyniker.

Wer jetzt aber meint, Zyniker hätten keine Seele, der ist auf dem falschen Pfad. Zyniker haben sogar viel Seele, viele Verletzungen und sie machen sich ständig sorgen um ihr Seelenheil, sind ständig auf der Sinnsuche. Diese Geschichten finden sie hier versammelt. Nicht die abgehobenen äußerlichen, sondern die die sich hinter der Fassade des Zynikers tummeln.

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