Montag, 16. Januar 2012
Wir machen das Dschungelcamp
Jetzt reden wieder alle übers Dschungelcamp, aber keiner traut sich mehr darüber zu sprechen.

Erst habe ich auch gedacht,

- Die, die reingehen, wissen ja was sie erwartet
- Die brauchen das Geld
- Die wissen auch, dass über sie gelästert wird

Jetzt bin ich geschockt von meiner Gleichgültigkeit.

- Hier wird gegen die Menschenwürde verstoßen
- Hier werden Persönlichkeitsrechte verletzt

Am Sonntag sendete RTL eine Spiegelreportage über Dschungelcampfans, abschließend der entlarvende Satz: „Schadenfreude ist die schönste Freude“. Nein, Schadenfreude ist nicht die schönste Freude. Schadenfreude gibt es so wie den Wunsch, mal den Chef zu verprügeln oder den Konkurrenten umzubringen oder eine Schachtel Zigaretten zu klauen. Der Wunsch ist da, aber sollte er deshalb gefördert und goutiert werden?

Es mag in manchen Ohren zu hoch klingen, aber RTL unterläuft sittliche Normen und Werte, auf die wir uns als Gesellschaft geeinigt haben, mit dem Argument, die Teilnehmenden wollen das doch selbst und das Publikum auch.

Dann fordere ich an dieser Stelle die Einführung von Stierkämpfen in Deutschland, die Todesstrafe, Kinder- oder Tierliebe, Steinigungen, Folter und die entsprechenden Sendeformate.

Zu den Moderatoren, dem Schnitt der Sendungen und der Rolle der Protagonisten: Die letztgenannten können machen was sie wollen. Wer in den Medien arbeitet weiß, wie man Zitate aus dem Zusammenhang reißen und in einen neuen Zusammenhang setzen kann. Die Schnittdramaturgie bewirkt, dass das Publikum immer nur das sehen und hören wird, was den Regisseuren gefällt. Das bedeutet, die Zuschauer können sich überhaupt keine Meinung bilden, sondern werden im Schwarm der Millionen zu einer Meinung geführt, die zum gewünschten Abstimmungsergebnis führt.

Abschließend zur Rolle von Dirk Bach und Sonja Zietlow, die nach dem Motto verfahren, „Satire darf alles“. Nur ist dies eben keine Satire, sondern es ist die Bösartigkeit zweier Zeitgenossen, denen man wünscht, dass ihnen Ähnliches widerfahre. Natürlich würden sie das dann weglachen, aber Verletzung bleibt immer.

Ein Versuch: „Ein dicker „Künstler“, der weiß, dass seine Zeit nie da war und auch nie kommen wird. Eine blonde, unsichere, zu laute Person, hinterhältig und schrill.“ Beide haben den Rest von Anständigkeit hinter sich gelassen, weil ihnen Regisseure und Juristen einflüstern, es sei alles richtig was sie machen. Glaube doch keiner, dass diese beiden Dorfpomeranzen in der Lage wären, auch nur einen ihrer fragwürdigen Gags selbst zu schreiben.“

Im direkten Kontakt mit den Kandidaten sind sie freundlich, verständig und machen sich hinter deren Rücken über jegliche menschliche Äußerung lustig. Das ist kein Stilmittel, das ist feige. Ein besonderer Zynismus liegt in der Aufmerksamkeit der körperlichen Unversehrtheit den Tieren gegenüber, wobei die seelische Verfasstheit der Kandidaten nur nach dem Grad ihrer Zerrüttung gemessen wird. Ist die Angst vor Tierschützern hier größer als vor Menschenschützern?

Von der Logik der Sendung her spricht nichts mehr gegen weitere Formate wie: „Ich bin ein Migrant, ihr dürft mich verprügeln, wenn ihr mich bekommt.“ „Ich bin ein Politiker, macht mich fertig“. „Ich empfinde keinen Schmerz, Ihr dürft mich foltern“. „Ich bin ein armes Kopftuchmädchen, Ihr dürft mich steinigen“.

Die Zuschauer stehen in der Verantwortung. Wenn wir jemanden sehen, der auf einer Bananenschale ausrutscht, lachen wir vielleicht kurz, als Kompensation von Schock und haben dann ein schlechtes Gewissen. Dieses regulierende schlechte Gewissen, versuchen uns die Macher abzutrainieren. „ES IST GUT DARÜBER ZU LACHEN und das am besten jeden Tag“. So manchem historisch Gebildeten bleibt das Lachen im Hals stecken, denn schon öfter in der Geschichte ist uns das schlechte Gewissen abtrainiert und die Akzeptanz des Unmenschlichen antrainiert worden. Moralkeule? Ja und ich schwinge sie.

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