Montag, 28. Januar 2013
Sexismusdebatte – wie geil ist das denn


Berlusconi hat eine Minderjährige gevögelt? „Alter krass, voll abgefahren, kack die Wand an, boh.“ Riesenwelle in Indien gegen Frauenvergewaltigung: „Wow, ich werd nicht mehr, fuck.“ Protest von Pussy Riots in der Kirche und Kritik an Putin? „Geile Scheiße Rock´n Roll.“

Egal welches Thema in den Ring geworfen wird, eine zynische und ausgelaugte Medienmeute schafft es, jedes Thema zu Brei zu schlagen. Der Kongress tanzt. Themen werden per se nicht ernst genommen, weil der Masse der so genannten Journalisten und Tinnen jegliche intellektuelle Fähigkeit fehlt, ein Thema einzuordnen. Arabischer Frühling, Mali, Eurorettung, Steinbrück oder Merkel, überall Bildungswüste. Themen werden nicht mehr recherchiert, Themen werden durchgejagt, abgeschrieben, totgeritten.

Die Hauptrechercheleistung besteht nur noch darin, Themen auf das jeweilige Einzugsgebiet des dort erscheinenden Mediums "herunterzubrechen". Dann reicht es, wenn das Bottroper Tageblatt einen Bottroper auftut, der auch schon mal im australischen Dschungel war und „unseren Lesern exklusiv erzählt, wie es da WIRKLICH ist“. Der Rest wird abgeschrieben, abgekupfert. Entweder pro oder contra Dschungelcamp, je nach Lust und Laune und Stuhlgang des Leitenden.

Das Dschungelcamp ist zu Ende, die Sexismusdebatte ist da. Geile Scheiße! Der Saal rockt. Schmeiß Dein Thema in den Ring und dann Bingo!, wenn sich Menschen ernsthaft berufen fühlen, darauf einzugehen, am besten in diesem Twitter.

„Drucken Sie mir das aus Hase“, ergeht dann der Befehl des altsackigen, immer zu einem lüsternen Streich aufgelegten Chefredakteurs an sein weibliches Faktotum, das sich in der Kaffeerunde mit den Kolleginnen einig ist, „den neuen Volontär schmeiß´ ich auch nicht von der Bettkante, hi hi.“

Es gibt natürlich Menschen, denen Sexismus wirklich ein Thema ist, die sich mit den Vorgängen im Nahen Osten befassen, die wissen wollen, wie es in den USA jetzt in der zweiten Amtszeit Obama weitergeht. Diese Menschen sitzen aber nicht in den Redaktionsstuben. Da sitzen Menschen, die es „geil finden, was mit Medien zu machen“. „Meinung zu machen“.

Wer eine Atmosphäre erleben will, in der die Luft testosterongeschwängerter ist als in Redaktionsstuben, kann es vielleicht noch auf dem Bau versuchen. Männliche Hierarchien bis ins dritte Glied, durchsetzt mit weiblichen Sprengseln der hübschen (geile Schnitte) oder der engagierten (alte Lesbe) Art.

Seit Twitter, Facebook und Co. kommt endlich wieder Leben in die Bude. „Die Demokratisierung der Medien“ findet ihren Ausdruck in den so genannten sozialen – aber doch so oft asozialen - Medien. Hier findet der Redakteur Content – früher hieß das "Inhalt" – und kann das genüsslich ausschlachten, abschreiben, auswerten. Hier findet er oder sie „Volkes Stimme“.

Auf der Strecke bleibt die Wahrheit, auf der Strecke bleibt die Erwartung der Ernsthaften, dass sich wirklich etwas ändern könnte.

Wird es aber nicht, weil der nächste #Aufschrei sowieso kommt. „Hase was ist dieses kurze Zeichen vor dem Wort?“

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