Freitag, 23. Januar 2009
Obamarx
wartburg, 12:35h
Obamarx
Warum blühen in Deutschland keine Zitronen, warum fährt mein Nachbar Porsche, ich aber nur Seat Ibiza und warum haben wir keinen deutschen Obama? Fragen, mit denen sich dieser Tage die Teilnehmenden jeder Talkshow herumquälen.
Haben uns die Amerikaner schon wieder überholt. Wie gut ging es uns mit Bush: Er führte Krieg, war für ein verrottetes Bildungs- und Gesundheitssystem verantwortlich und amerikanische Autos wollte auch keiner mehr kaufen. Wieso haben wir es nicht hinbekommen, einen türkischstämmigen Politiker zum Bundeskanzler zu machen? Mit Merkel sonnten wir uns in dem Bewusstsein, als erste einer der wichtigsten Nationen eine Frau an der Spitze zu haben, die sogar aus Ostdeutschland kommt. (Tschuldigung vergessen, Thatcher, ja, aber die hatte das Attribut "Die Eiserne" und wär wohl lieber Mann gewesen) Alles vorbei. Sie lächelt nicht, sie ist nüchtern und sie ist weiß, der Exotenbonus ist weg.
Dem (West-)deutschen Empfinden geht es immer gut, wenn wir uns am vermeintlich Schlechteren messen können. Was ging es uns im Kalten Krieg gut, als wir jedes Jahr schwarz auf weiß lesen konnten, dass wir dem Osten überlegen sind. Allerdings mussten wir uns all die Jahre vergleichen lassen und deshalb strengten wir uns besonders an. Danach? Sieger der Geschichte. Konsequenz: Mal auf die Straße schauen.
Aus vollem Bewusstsein konnten wir Missliebigen bis ´89 ein fröhliches „dann geh doch in Osten“ zurufen. Wer sich über mangelnde soziale Leistungen und soziale Kälte beklagt, dem hätten wir bei einer weiteren Amtszeit Bush (so sie möglich gewesen wäre) zurufen können „dann geht erst mal zum US-Amerikaner“. Schluss, aus, vorbei.
Verwundert reiben wir uns die Augen. Beschämt schauen wir auf „Ich bin deutsch und nüchtern“-Merkel, auf „Ich bin klein und gemein“-Sarkozy, auf „Ich mach mich unsichtbar“-Brown, auf „Ich bin immer braun“-Berlosconi und wie sie alle heißen, die blassen, weißen Politikerinnen und Politiker im alten Europa.
Und während wir noch spötteln und schmunzeln über den „schwarzen Heilsbringer“, nicht zu verwechseln mit dem „schwarzen Bomber“, macht sich dieser auf den Weg und spricht Klartext.
Gott schütze unser Land vor dem Tag, an dem Obama auf deutschen Audi umsteigt und ein Marx-Shirt trägt. Was bleibt uns denn dann noch? Noch haben wir Zeit - noch einmal Merkel - dann aber bitte eine türkisch-stämmige Kanzlerin, mit drei Kindern und zwei Hunden. Es wäre nicht das erste Mal, dass wir der Welt zeigen, dass wir die besseren Autobahnen bauen, etc. Bis dahin verbuchen wir Obama unter „Unfall der Geschichte“ und gehen in den Schrebergarten und merkeln über „die da oben“.
P.S. Satz der Woche: „Vor sechzig Jahren mussten die Neger im Bus noch hinten sitzen“. Vor sechzig Jahren liefen die Juden in Deutschland nicht mal mehr auf der Straße, geschweige denn besetzten sie Sitzplätze in Bussen.
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jean stubenzweig,
Freitag, 23. Januar 2009, 14:40
Ihre Lakonik,
Ihr hintersinniger Erzählstil, der viel Freiraum läßt für eigene Gedanken, ja, sie fordert, hat mich zu einem Ihrer Abonnenten gemacht. Nicht zuletzt, daß ich auch noch gut unterhalten werde bei Ihren Texten. Dank.
Randbemerkung (zu weiter unten):
«... mit rhythmisch zuckenden Scheibenwischern.» Jacques Tati im Kopf gehabt?
«... was einmal auf die Festplatte des Lebens geladen wurde ...», dabei denke ich an Heimito von Doderer: «Man bekommt seine Kindheit über den Kopf gestülpt wie einen Eimer ...»
Randbemerkung (zu weiter unten):
«... mit rhythmisch zuckenden Scheibenwischern.» Jacques Tati im Kopf gehabt?
«... was einmal auf die Festplatte des Lebens geladen wurde ...», dabei denke ich an Heimito von Doderer: «Man bekommt seine Kindheit über den Kopf gestülpt wie einen Eimer ...»
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jean stubenzweig,
Freitag, 23. Januar 2009, 14:49
Neu- oder Wißbegier,
egal, ich hab's geahnt, besser: hätte es mir denken können, daß einer, der so schreibt wie Sie, kein Eleve ist ...
Ich habe Ihre Rumänien-Geschichte angelesen. Sie können's. Und ich habe Lesestoff (wo ist das denn erschienen?).
Ich habe Ihre Rumänien-Geschichte angelesen. Sie können's. Und ich habe Lesestoff (wo ist das denn erschienen?).
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