Dienstag, 20. Januar 2009
Die Software des Lebens


Am Montag habe ich aufgehört zu sprechen, am Dienstag habe ich aufgehört zu hören, am Mittwoch habe ich aufgehört zu sehen. All diese fragwürdigen Fähigkeiten habe ich jetzt bewusst ausgeschaltet, nachdem sie mich zu oft im Stich gelassen habe. Schon zuvor habe ich nur das gesehen, was ich sehen wollte, habe nur selektiv hingehört und das, was ich gesprochen habe war viel zu oft nicht echt.

Wie viele Menschen gibt es, die in der Lage sind, ihre Sinnesorgane richtig zu bedienen, die von ihnen nicht allzu oft im Stich gelassen werden. Was ist mit dem Spüren, was ist mit dem lieben können, was mit dem Liebe empfangen können. Wie viele Menschen können noch vertrauen oder Vertrauen schenken, wie viele Menschen sind sich selbst gewiss?

Ich kann mir alle möglichen Softwarepakete auf den Computer laden. Wenn sie auf dem Computer sind, passiert erstmal nichts, so lange ich die Software nicht mit der .exe-Funktion aktiviere, um sie nutzen zu können. Wenn ich der Software überdrüssig bin, lösche ich sie über die Systemsteuerung. Jeder IT-Spezialist wird spätestens hier schmunzeln, denn für ihn wäre sie immer noch auffindbar, nur für mich als Durchschnittsuser ist sie weg.

Gehen wir mal davon aus, dass bei einem Neugeborenen die Software fertig installiert ist. Dann liegt es an der Umwelt, den Eltern, den Geschwistern, dem Umfeld diese zu aktivieren. Was aber, wenn einzelne Pakete nicht aktiviert werden oder bösartige Viren und Würmer aufgespielt werden. Manchmal versucht man eine Software zu spät zu aktivieren, dann ist sie längst veraltet und kann ihren Dienst nicht mehr tun. Gelingt bei jeder Software ein update? Was wenn sich der Mensch eigenständig entschließt, gewisse Softwarepakete zu löschen? Dank moderner Psychologie wissen wir, dass alles, was einmal auf die Festplatte des Lebens geladen wurde vorhanden bleibt, auch wenn es oft gelingt, vieles so zu verschachteln, aufzusplitten , in Unterordnern zu verstecken, dass man kaum noch dran kommt.
Wie oft träume ich davon, die Resettaste zu drücken, zu booten, einen Neustart zu versuchen. Als äußerste Möglichkeit löschen manche das Betriebssystem, dann aber entgültig.
Die Kombination aus Hören, Sprechen, Sehen und Fühlen führt zu einem festen Bild, dass unser Gehirn kreiert. Wer aber gibt uns die Garantie, dass dieses Bild real ist, der Realität entspricht und was bitte ist die Realität? Eine schnöde, wahrscheinlich immer schon gestellte Frage. Wenn nur einer die Realität vorgibt, enden wir in der Diktatur. Werden alle Realitäten zugelassen, befinden wir uns im Zustand der Anarchie. Beide Zustände entstehen schon auf kleinstem Raum, jeder der Beziehung lebt, weiß davon ein Lied zu singen. Ach was, die Hälfte reicht schon, schon in uns selbst erleben wir das Spannungsfeld von Diktatur und Anarchie unserer Gefühle.

Und ob wir jetzt über diese Erkenntnisse lachen oder weinen – ja das bleibt jedem selbst überlassen.

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