Dienstag, 14. Oktober 2008
Liebermann kotzt nicht mehr
wartburg, 18:57h
Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen will. Dieser Satz wird dem Maler Max Liebermann untergejubelt. Sei´s drum. Wenn es dem Mann schon damals so schlecht ging, wie würde er heute reagieren? Wahrscheinlich käme er weder zum Fressen, noch zum Denken, sondern säße mit offenen Mund da und würde gar nichts mehr kapieren.
Gab es zu Liebermanns Zeit noch die Möglichkeit, sich an den Um- und Zuständen zu reiben (sein Ausruf galt einem Aufzug der Nazis), wird heute alles in virtuelle Watte verpackt, gibt es keine Kontroversen mehr, und wenn sind sie Teil des Systems, werden vom System eingesaugt, marginalisiert.
Auf Hysterie folgt Apathie. An Hysterie fehlt es nicht. BSE, Vogelgrippe, Nazis, Linksradikale, Kampfhunde, Kinderschänder, Bankbetrüger, betrügerische Manager, HARTZ IV-Betrüger, Datenklau, Kriege, Kostensteigerungen, Bildungskrise…die Liste lässt sich bis in den frühen Morgen fortsetzen.
Die Hysterie läuft in geordneten Bahnen. Aufregung in den Medien, Demonstrationen auf den Straßen, es passiert was. Dann landet die Hysterie in den Talkshows und dort läuft sie sich tot. Sie wird durch Wortreichtum erstickt. Das Volk versinkt in Apathie, es kann das Ganze nicht mehr hören. Aber keine Sorge, es folgt die nächste Hysterie.
Den Höhepunkt der Perfidie müsste sich das System patentieren lassen. So es noch echte Kritiker gibt, die nicht deshalb kritisieren, weil es en vogue ist, sondern denen die Kritik ein echtes Anliegen ist, werden sie von den Handelnden durch Umarmung erstickt und in das System hineingezwungen.
Jüngstes Beispiel war die Aufregung um Marcel Reich-Ranitzki. Der Greis entschloss sich spontan, den Fernsehpreis auf der entsprechenden Gala nicht anzunehmen, weil…s. Max Liebermann. Reich-Ranitzki beschimpfte das Publikum und das System und wie fiel die Reaktion aus? Buhte man ihn aus, schickte man ihn zum Teufel, verfluchte man ihn als Störenfried auf der schönen Feier? Man feierte ihn. Er, der Kritiker gab der Veranstaltung die richtige Würze. Er brachte Feuer in die Veranstaltung. Sie lieben diese Quertreiber. Sie brauchen diese Quertreiber. Und ihre Liebe macht Ranitzkis Kritik zunichte. Die Personen, die er mit Namen beschimpfte, klatschten besonders begeistert.
Und Moderator Thomas Gottschalk? Reagierte systemkonform, umarmte den alten Mann, lud zur Spontandiskussion ein. Wo? Natürlich in einer der nächsten Talkshows. Wie es jetzt weitergeht ist klar. Das System wird über die Kritik diskutieren, wird abwägen, wird sich über den Beitrag freuen und dann weitermachen wie bisher. Die nächste Hysterie steht vor der Tür.
Und der scharfe Kritiker Reich-Ranitzki? Knickte schon am Abend ein, meldete seine Zweifel an und bot Gottschalk dann das Du an. Der Kongress tanzt weiter.
Gab es zu Liebermanns Zeit noch die Möglichkeit, sich an den Um- und Zuständen zu reiben (sein Ausruf galt einem Aufzug der Nazis), wird heute alles in virtuelle Watte verpackt, gibt es keine Kontroversen mehr, und wenn sind sie Teil des Systems, werden vom System eingesaugt, marginalisiert.
Auf Hysterie folgt Apathie. An Hysterie fehlt es nicht. BSE, Vogelgrippe, Nazis, Linksradikale, Kampfhunde, Kinderschänder, Bankbetrüger, betrügerische Manager, HARTZ IV-Betrüger, Datenklau, Kriege, Kostensteigerungen, Bildungskrise…die Liste lässt sich bis in den frühen Morgen fortsetzen.
Die Hysterie läuft in geordneten Bahnen. Aufregung in den Medien, Demonstrationen auf den Straßen, es passiert was. Dann landet die Hysterie in den Talkshows und dort läuft sie sich tot. Sie wird durch Wortreichtum erstickt. Das Volk versinkt in Apathie, es kann das Ganze nicht mehr hören. Aber keine Sorge, es folgt die nächste Hysterie.
Den Höhepunkt der Perfidie müsste sich das System patentieren lassen. So es noch echte Kritiker gibt, die nicht deshalb kritisieren, weil es en vogue ist, sondern denen die Kritik ein echtes Anliegen ist, werden sie von den Handelnden durch Umarmung erstickt und in das System hineingezwungen.
Jüngstes Beispiel war die Aufregung um Marcel Reich-Ranitzki. Der Greis entschloss sich spontan, den Fernsehpreis auf der entsprechenden Gala nicht anzunehmen, weil…s. Max Liebermann. Reich-Ranitzki beschimpfte das Publikum und das System und wie fiel die Reaktion aus? Buhte man ihn aus, schickte man ihn zum Teufel, verfluchte man ihn als Störenfried auf der schönen Feier? Man feierte ihn. Er, der Kritiker gab der Veranstaltung die richtige Würze. Er brachte Feuer in die Veranstaltung. Sie lieben diese Quertreiber. Sie brauchen diese Quertreiber. Und ihre Liebe macht Ranitzkis Kritik zunichte. Die Personen, die er mit Namen beschimpfte, klatschten besonders begeistert.
Und Moderator Thomas Gottschalk? Reagierte systemkonform, umarmte den alten Mann, lud zur Spontandiskussion ein. Wo? Natürlich in einer der nächsten Talkshows. Wie es jetzt weitergeht ist klar. Das System wird über die Kritik diskutieren, wird abwägen, wird sich über den Beitrag freuen und dann weitermachen wie bisher. Die nächste Hysterie steht vor der Tür.
Und der scharfe Kritiker Reich-Ranitzki? Knickte schon am Abend ein, meldete seine Zweifel an und bot Gottschalk dann das Du an. Der Kongress tanzt weiter.
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