Dienstag, 20. Januar 2009
Rauchen kann zu einem langsamen und schmerzhaften Tod führen


Eines Tages wachte er auf, stellte sich vor den Spiegel und beobachtete interessiert aber doch unbeteiligt die tiefen Augenringe, die sich in sein Gesicht malten. Im Spiegel ein leichtes missmutiges Kopfschütteln. Er drehte sich um, ging ins Wohnzimmer zum Regulator und stellte die Uhr eine Stunde zurück. Eine Stunde gewonnen. Eine Stunde gewonnen. Das ist nicht viel, das ist nichts, das sind paar Minuten aber immerhin. Das macht eine Stunde jünger.
Etwas gelangweilt lehnte er sich zurück, nahm eine Zigarette, ließ das Feuerzeug aufglühen und zog den Rauch tief in die Lungen. Er war jetzt in einem Alter, in dem es eigentlich kein Alter gab. Er war mit dem Zwischenalter gestraft, ihm war der Standpunkt wegradiert.
Er stand auf, ging einmal durch die vier Zimmer der Wohnung, schaute sich das Sammelsurium an, Ergebnis der Bewahrwut. Dann hielt er das Pendel der Uhr an, drückte die Zigarette in den überfüllten Aschenbecher, zog sich die Jacke über und schloss zweimal ab.
Als er schon das Ende der Straße erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um und sah aus dem Fenster des Wohnzimmers eine starke Rauchwolke ziehen.

Den Kopf in den grauen Himmel gereckt spürte er den feinen Tropfenfilm, der sein Gesicht überzog. Die Tropfen vereinigten sich zu einem kleinen Rinnsal, der ihm in den Nacken floss. Er nahm seine Hände zur Hilfe, um so noch mehr Regen auffangen zu können. Er drehte sich einmal schnell um die eigene Achse, fand das aber albern und ging weiter, mal etwas schneller, mal etwas langsamer. Er griff in die Tasche nach den Zigaretten, doch die Schachtel war leer. Er zerknüllte die Packung zu einem kleinen Ball, warf ihn in die Luft und hätte ihn mit einem eleganten Schuss quer über die Straße befördert, wenn er nicht danebengetroffen hätte. Bald hatte er die Außenbezirke der kleinen Stadt erreicht. Menschen waren keine unterwegs, nur ab und zu überholte ihn ein Auto, mit rhythmisch zuckenden Scheibenwischern. Er kam an den Waldrand und tauchte hinein in den dunklen, baumbestandenen Raum. Es regnete jetzt so stark, das er sich nicht mehr die Mühe machen musste, Pfützen oder Matsch auszuweichen, denn alles war Pfütze und Matsch. Auf der rechten Seite tauchte in die Bäume geduckt ein grüner Bauwagen auf, wie ihn Waldarbeiter für ihre Pausen benutzen. Er ging dreimal um dem Wagen herum. Die Fenster des Wagens waren mit blechernen Läden verschlossen, vor der Tür hing ein Vorhängeschloss. Auf dem Bauwagen ragte ein Ofenrohr in die Höhe. Er rüttelte einmal an der verschlossenen Tür, er ging an die Wagenseite und versuchte den Blechladen aufzuziehen. Der Laden ließ sich öffnen. Dahinter eine fast blinde Glasscheibe, die er zur Seite schob. Er blickte einmal um sich, als wenn bei diesem Wetter jemand unterwegs gewesen wäre und schwang sich durch das enge Fenster ins Wageninnere. Rechts von ihm ein Tisch, und zwei Stühle. Auf dem Tisch ein altes Brot, einige leere Dosen Thunfisch und eine alte Zeitung. Daneben noch eine angebrochene Flasche Korn. Auf der linken Seite eine Motorsäge, Gummistiefel und an der Wand zwei Bauhelme. Außerdem ein gusseiserner Ofen, davor etwas Holz. Er setzte sich auf den Stuhl und suchte in seinen Taschen nach einer Zigarette. Er fand eine zerbrochene Zigarette, steckte sie sich in den Mund, ließ das Feuerzeug aufglühen und zog den Rauch tief in seine Lungen. In dem Raum war es kalt.
Den Zigarettenrest schnippte er Richtung Ofen, stand auf und öffnete die Ofentür. Darin noch Reste von Holzkohle und etwas angekohltes Papier. Er hielt das Feuerzeug an das Papier, das hell aufloderte und wieder in sich zusammenfiel. Er hob ein bisschen Holz auf und stopfte es in den Ofen. Dazu noch die Zeitung, die auf dem Tisch lag. Dann blickte er sich noch einmal in dem Raum um und entdeckte neben der Motorsäge einen Kanister. Er schraubte den Deckel auf und roch daran. Dann schüttete er etwas von dem Benzingemisch in den Ofen. Diesmal griffen die Flammen schnell auf das Holz über und als es aufloderte schloss er die Tür und rieb über dem Ofen die Hände aneinander, auch wenn es noch nicht warm war. Aber es knisterte etwas in dem Ofen. Er setzte sich wieder auf den Stuhl. Als es langsam warm wurde in dem Wagen, zog er seine Jacke aus und hängte sie über den zweiten Stuhl. Auch seine Schuhe zog er aus, stellte sie neben den Ofen, setzte sich wieder hin und legte die Beine auf den wackligen Tisch. Den Kopf in den Nacken gelegt, schaute er an die Decke.
Es war jetzt so warm in dem Bauwagen, dass er seinen Pullover auszog. Der Ofen glühte jetzt so stark, das um ihn herum die Luft zu flimmern schien. Er zog sich die nasse Jacke wieder an, stieg in seine Schuhe und verließ den Wagen, so wie er ihn bestiegen hatte, durch das Fenster. Nach einigen Hundert Metern hörte er ein lautes Krachen und sah beim Umdrehen eine große Stichflamme aus dem Bauwagen in den dunklen Waldhimmel schießen. Langsam ging er weiter, bis er den Waldrand erreichte und wieder Straße unter seinen Füßen spürte. Nach einigen Häusern am Straßenrand, die ihm mit ihren hell erleuchteten Fenstern den Weg wiesen, blieb er vor einem Zigarettenautomaten stehen, an dem gerade ein Mann mit Hund seine Münzstücke einwarf. Der Mann zog eine Schachtel heraus und warf erneut Münzen ein und ging mit zwei Schachteln und dem Hund weiter. Er suchte in seinen Taschen nach Münzen, warf sie ein und erhielt seine Zigaretten. Der notorisch klamme, aber auch notorisch mit schlechtem Gewissen geplagte Staat hatte die Schachteln neuerdings mit mahnenden Sprüchen bedrucken lassen. Beim Öffnen der Schachtel las er, dass Rauchen zu einem langsamen und schmerzhaften Tod führen könne. Er steckte sich eine Zigarette in den Mund, ließ das Feuerzeug aufglühen und zog den Rauch tief in seine Lungen. Als er in seine Straße einbog, sah er eine Kolonne von Feuerwehrfahrzeugen, die ihren Wasserstrahl auf die Wohnung richteten. Er schaute eine Weile von weitem zu, rauchte, drehte sich dann um und ging weiter. Als er die Zigarette austrat hatte er den Bahndamm erreicht. Er kletterte das Geröll hinauf und schaute nach rechts und links. Er griff wieder in die Schachtel und nahm sich eine Zigarette. Rauchen kann zu einem langsamen und schmerzhaften Tod führen. Er rauchte jetzt schnell und hektisch. Am Horizont sah er die Lichter eines Zuges heranrasen. Rauchen kann zu einem langsamen und schmerzhaften Tod führen. Das war das letzte, was er sich wünschte...

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Die Software des Lebens


Am Montag habe ich aufgehört zu sprechen, am Dienstag habe ich aufgehört zu hören, am Mittwoch habe ich aufgehört zu sehen. All diese fragwürdigen Fähigkeiten habe ich jetzt bewusst ausgeschaltet, nachdem sie mich zu oft im Stich gelassen habe. Schon zuvor habe ich nur das gesehen, was ich sehen wollte, habe nur selektiv hingehört und das, was ich gesprochen habe war viel zu oft nicht echt.

Wie viele Menschen gibt es, die in der Lage sind, ihre Sinnesorgane richtig zu bedienen, die von ihnen nicht allzu oft im Stich gelassen werden. Was ist mit dem Spüren, was ist mit dem lieben können, was mit dem Liebe empfangen können. Wie viele Menschen können noch vertrauen oder Vertrauen schenken, wie viele Menschen sind sich selbst gewiss?

Ich kann mir alle möglichen Softwarepakete auf den Computer laden. Wenn sie auf dem Computer sind, passiert erstmal nichts, so lange ich die Software nicht mit der .exe-Funktion aktiviere, um sie nutzen zu können. Wenn ich der Software überdrüssig bin, lösche ich sie über die Systemsteuerung. Jeder IT-Spezialist wird spätestens hier schmunzeln, denn für ihn wäre sie immer noch auffindbar, nur für mich als Durchschnittsuser ist sie weg.

Gehen wir mal davon aus, dass bei einem Neugeborenen die Software fertig installiert ist. Dann liegt es an der Umwelt, den Eltern, den Geschwistern, dem Umfeld diese zu aktivieren. Was aber, wenn einzelne Pakete nicht aktiviert werden oder bösartige Viren und Würmer aufgespielt werden. Manchmal versucht man eine Software zu spät zu aktivieren, dann ist sie längst veraltet und kann ihren Dienst nicht mehr tun. Gelingt bei jeder Software ein update? Was wenn sich der Mensch eigenständig entschließt, gewisse Softwarepakete zu löschen? Dank moderner Psychologie wissen wir, dass alles, was einmal auf die Festplatte des Lebens geladen wurde vorhanden bleibt, auch wenn es oft gelingt, vieles so zu verschachteln, aufzusplitten , in Unterordnern zu verstecken, dass man kaum noch dran kommt.
Wie oft träume ich davon, die Resettaste zu drücken, zu booten, einen Neustart zu versuchen. Als äußerste Möglichkeit löschen manche das Betriebssystem, dann aber entgültig.
Die Kombination aus Hören, Sprechen, Sehen und Fühlen führt zu einem festen Bild, dass unser Gehirn kreiert. Wer aber gibt uns die Garantie, dass dieses Bild real ist, der Realität entspricht und was bitte ist die Realität? Eine schnöde, wahrscheinlich immer schon gestellte Frage. Wenn nur einer die Realität vorgibt, enden wir in der Diktatur. Werden alle Realitäten zugelassen, befinden wir uns im Zustand der Anarchie. Beide Zustände entstehen schon auf kleinstem Raum, jeder der Beziehung lebt, weiß davon ein Lied zu singen. Ach was, die Hälfte reicht schon, schon in uns selbst erleben wir das Spannungsfeld von Diktatur und Anarchie unserer Gefühle.

Und ob wir jetzt über diese Erkenntnisse lachen oder weinen – ja das bleibt jedem selbst überlassen.

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